Rz. 121
Für nicht verbrauchbare Gegenstände, insbesondere Immobilien und Unternehmensbeteiligungen, gilt das sog. Niederstwertprinzip des Abs. 2 S. 2. Dementsprechend sind die Werte des verschenkten Gegenstandes zum Zeitpunkt der Schenkung (bei Grundstücken: Eigentumsumschreibung im Grundbuch) und zum Zeitpunkt des Erbfalls miteinander zu vergleichen, wobei der Wert im Zeitpunkt der Schenkung anhand des Lebenshaltungskostenindexes (heute: VPI) auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu indexieren ist. Der niedrigere Wert ist dann der Berechnung des Ergänzungsanspruchs zugrunde zu legen. Konsequenz dieser Regelung ist, dass Wertsteigerungen, die zwischen dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung und dem Erbfall eintreten, dem Pflichtteilsberechtigten nicht zugutekommen und – umgekehrt betrachtet – den Pflichtteilsschuldner nicht belasten. Andererseits wird der Pflichtteilsergänzungsberechtigte aber am Risiko einer zwischenzeitlichen Wertverringerung beteiligt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Berechtigte stets nur um den Betrag "geschädigt" sein könne, dessen sich der Erblasser selbst unentgeltlich entäußert habe.
Rz. 122
Ist eine nicht verbrauchbare Sache zwischen Schenkung und Erbfall untergegangen, kann eine Bewertung nach Abs. 2 S. 2 nicht mehr stattfinden. Voraussetzung einer Berücksichtigung i.R.d. Pflichtteilsergänzung ist daher, dass die Sache im Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhanden ist, entweder beim Beschenkten oder bei einem Dritten. Auch wenn es im Falle des zwischenzeitlichen Untergangs auf die Frage des Verschuldens nicht entscheidend ankommt, kann im Einzelfall ein an die Stelle des Pflichtteilsergänzungsanspruchs tretender Schadensersatzanspruch des Pflichtteilsberechtigten treten. Hat der Beschenkte den Zuwendungsgegenstand zwischenzeitlich gegen Entgelt veräußert, hat die Höhe dieses Entgelts auf die Bewertung grundsätzlich keinen Einfluss. Werterhöhende Investitionen des Beschenkten, die sich im Zeitpunkt des Erbfalls werterhöhend auswirken, sind bei der Bewertung auf den Erbfall zu korrigieren.
Rz. 123
Der BGH wendet systemwidrig das Niederstwertprinzip auch auf beim Tod des Erblassers noch nicht vollzogene Schenkungsversprechen an. Demnach soll auch hier ein Wertvergleich durchgeführt und dabei auf den Zeitpunkt des Schenkungsversprechens abgestellt werden. Bewertungsgegenstand sei hier nicht das – noch nicht geleistete – Geschenk, sondern vielmehr der zugewendete Anspruch. Diese Sichtweise ist durch den klaren Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt. Gem. Abs. 2 S. 2, kommen als Vergleichszeitpunkte nur der Erbfall und die Ausführung der Schenkung, nicht aber die bloße Abgabe eines Schenkungsversprechens in Betracht. Mithin ist in Fällen der hier diskutierten Art allein auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen. Anders kann sich die Lage aber darstellen, wenn Gegenstand der Schenkung ein Anwartschaftsrecht (auf späteren Eigentumserwerb) sein sollte.