Rz. 71
Auch der Vermögenserwerb durch güterrechtliche Vereinbarung (Begründung der Gütergemeinschaft) kann im Einzelfall eine ehebezogene Zuwendung darstellen. Grundsätzlich ist der hälftige Vermögenserwerb des weniger vermögenden Ehegatten durch die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft aber pflichtteilsergänzungsfest, weil der Rechtsgrund der Bereicherung in einem familienrechtlichen Vertrag liegt, so dass es an der für eine Schenkung erforderlichen Einigung über die Unentgeltlichkeit fehlt. Die einer späteren Vereinbarung der Gütertrennung folgende Auseinandersetzung des veränderten Gesamtguts kann jedenfalls insoweit als pflichtteilsergänzungspflichtig anzusehen sein, als einem Ehegatten mehr als die Hälfte des Gesamtguts zugeteilt wird.
Rz. 72
Der BGH stellt zur Frage des Erwerbs aufgrund güterrechtlicher Vereinbarung folgenden Grundsatz auf: "In der Begründung einer Gütergemeinschaft kann nur ausnahmsweise eine Schenkung des begüterten an den bereicherten Ehegatten liegen. Dazu bedarf es außer der Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch einer Verdrängung der güterrechtlichen causa für die Bereicherung durch den schuldrechtlichen Schenkungsvertrag. Für eine solche Annahme bedarf es der Feststellung, dass die Geschäftsabsichten der Eheleute nicht in Zweckverwirklichung der Ehe auf eine Ordnung der beiderseitigen Vermögen gerichtet waren." Es geht also im Wesentlichen um den Schutz der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge durch die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen. So kann bspw. eine kurz vor dem Tod eines Ehegatten getroffene güterrechtliche Vereinbarung Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Das gilt auch, wenn kurz nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft (wieder) Gütertrennung oder Zugewinngemeinschaft vereinbart und dadurch ein überdurchschnittlicher Teil des Vermögens auf den bisher eigentlich vermögenslosen Ehegatten übertragen wird.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass auch das sog. Gütertrennungsmodell eine pflichtteilsfeste Gestaltung darstellt. Dabei wird der gesetzliche Güterstand durch Vereinbarung einer Gütertrennung beendet und der Zugewinn durch Übertragung entsprechender Vermögensgegenstände ausgeglichen. Soweit es dabei nicht zu erheblich über dem sich rechnerisch ergebenden Ausgleichungsanspruch liegenden Vermögensverschiebungen kommt, liegt hierin keine unentgeltliche Zuwendung. Allerdings mehren sich in der Lit. die Stimmen, die auch insoweit zur Vorsicht mahnen. So wird zu bedenken gegeben, dass der ausgleichungsverpflichtete Ehegatte im Grunde genommen gar nichts von einem Wechsel des Güterstandes habe und daher objektiv unentgeltlich dem anderen Ehegatten den Ausgleichungsanspruch zuwende. Außerdem werde die systemkonforme Partizipation am Vermögenszuwachs des jeweils anderen Ehegatten nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils gem. § 1371 BGB verwirklicht. Ein konkreter Zugewinnausgleich sei nur im Falle der güterrechtlichen Lösung (§ 1371 Abs. 3 BGB) vorgesehen, dann allerdings verbunden mit dem Verlust der Erbenstellung des überlebenden Ehegatten.
Rz. 73
Auch wenn angesichts der Tendenz des BGH den Vermögensinteressen der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge im Zweifel den Vorrang gegenüber den Interessen des (ebenfalls pflichtteilsberechtigten) überlebenden Ehegatten einzuräumen, bei güterrechtlichen Gestaltungen tatsächlich größte Vorsicht geboten ist, sollte die Freiheit der Ehegatten, ihre güterrechtlichen Dispositionen ohne das ständige Damoklesschwert des Pflichtteilsergänzungsanspruchs treffen zu können, nicht zu weit eingeschränkt werden. Zu Recht weist Pawlytta darauf hin, dass eine lebzeitige Gestaltung, die wirtschaftlich zu einem Ergebnis führt, das der überlebende Ehegatte auch nach dem Tod des Erblassers ohne dessen Zutun hätte erreichen können, ergänzungsfest sein muss. Hieran wird auch die pflichtteilsfreundlichste Rspr. nichts ändern können. Aber auch weitergehende Vorteile zugunsten des Ehegatten müssen ergänzungsfest sein, soweit nicht (mehr oder weniger eindeutig) ein Missbrauchsfall vorliegt. Beim (einmaligen) Wechsel des Güterstandes sollte insoweit jedenfalls i.d.R. kein Missbrauchsverdacht angezeigt sein. Dies ergibt sich aus folgender Kontroll-Überlegung:
Rz. 74
Angenommen, der Erblasser ist im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Einige Zeit vor seinem Tod hat der Ehegatte gem. § 1385 BGB auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns geklagt und ein seinem Antrag stattgebendes Urteil erstritten. Die Voraussetzungen des § 1933 BGB liegen nicht vor, so dass dem überlebenden Ehegatten zweifellos ein gesetzlicher Erbteil gem. § 1931 Abs. 1 oder Abs. 4 BGB zusteht. Kann die Rspr. den überlebenden Ehegatten einer funktionierenden und unter dem besonderen Schutz des Art. 6 GG stehenden Ehe wirklich schlechter stellen als den einer zerrütteten Ehe?! Daraus folgt, dass die Frage, welche Motive die Ehegatten zu der einen oder der anderen güterre...