I. Schuldner des Ergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB
Rz. 106
Ebenso wie beim ordentlichen Pflichtteilsanspruch sind grundsätzlich der oder die Erben Schuldner des Ergänzungsanspruchs. Die Verpflichtung zur Begleichung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist eine Nachlassverbindlichkeit. Das Vorhandensein eines positiven Saldos von Nachlassaktiva und Nachlasspassiva ist grundsätzlich nicht erforderlich. Nur in Ausnahmefällen, wenn der Erbe nicht verpflichtet ist, kann auch der Beschenkte in Anspruch genommen werden, § 2329 BGB.
II. Berechnungsweise
1. Grundsätzliches
Rz. 107
Inhalt des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist der Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Es kann also durchaus vorkommen, dass sich bei einem negativen Wert des tatsächlich vorhandenen Nachlasses durch Hinzuzählung der Werte der ergänzungspflichtigen Zuwendungen ein positiver Gesamtnachlass und somit auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ergibt. In dieser Konstellation richtet sich der Ergänzungsanspruch aber wegen der beschränkten Erbenhaftung nach § 1990 BGB regelmäßig nicht gegen den Erben, sondern gem. § 2329 BGB gegen den vom Erblasser Beschenkten. Führt auch die Hinzurechnung der lebzeitigen Schenkungen nicht zu einem positiven Gesamtnachlass, ist für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aber kein Raum, da dem Pflichtteilsberechtigten, auch wenn der reale Nachlass nicht durch die Schenkung gemindert worden wäre, kein Pflichtteilsanspruch zugestanden hätte.
Rz. 108
Nach dem Wortlaut des Abs. 1 ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch durch Subtraktion des ordentlichen Pflichtteils vom Gesamtpflichtteil zu ermitteln (= Substraktionsmethode). Zu beachten ist dabei, dass die Berechnung für jeden Pflichtteilsberechtigten gesondert zu erfolgen hat. Im Einzelnen stellt sich der Berechnungsmodus wie folgt dar:
1.) |
ist der reale Nachlass zu bestimmen und daraus der ordentliche Pflichtteil zu berechnen |
2.) |
wird durch Hinzurechnung aller – grundsätzlich – ergänzungspflichtigen Schenkungen der fiktive (Ergänzungs-)Nachlass ermittelt |
3.) |
ergibt sich durch Anwendung der Erbquote des Pflichtteilsberechtigten dessen fiktiver (gesetzlicher) Erbteil |
4.) |
ist aus diesem durch Halbierung (§ 2303 BGB) der Gesamtpflichtteil abzuleiten |
5.) |
wird vom Gesamtpflichtteil der ordentliche Pflichtteil abgezogen, so dass im Ergebnis der Ergänzungspflichtteil verbleibt. |
Rz. 109
Diese vermeintlich umständliche Vorgehensweise wird in der Praxis oftmals dadurch ersetzt, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch direkt aus der Schenkung berechnet wird. Dies führt aber nur dann zu richtigen Ergebnissen, wenn der reale Nachlass keinen negativen Wert hat und keiner der sonst denkbaren Sonderfälle – bspw. Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum Miterben oder zum Vermächtnisnehmer, § 2326 BGB, oder Eigengeschenk des Pflichtteilsberechtigten, § 2327 BGB – vorliegt.
2. Mehrfache Berücksichtigung/Verhältnis zu §§ 2315, 2316 BGB
a) Allgemeines
Rz. 110
Das Bestehen einer Anrechnungspflicht nach § 2315 BGB ändert an der Anwendbarkeit von § 2325 BGB nichts. Es lässt das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sowie auch den Weg seiner Berechnung prinzipiell unberührt.
Rz. 111
Das Verhältnis von § 2325 BGB zu § 2316 BGB ist bislang nicht abschließend geklärt. Neben den Fällen des "unzureichenden Nachlasses" sind sowohl die Fälle, in denen eine Zuwendung gleichzeitig ausgleichungspflichtig ist und (wenigstens teilweise) Schenkungscharakter hat – z.B. die Übermaßausstattung, ausgleichungspflichtige Schenkung nach § 2050 Abs. 3 BGB – als auch diej...