I. Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Rz. 153
Da der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch eigenständig ist, kann er auch prozessual isoliert geltend gemacht werden. Dies kann u.U. sogar zwingend erforderlich sein, nämlich dann, wenn sich der Anspruch gem. § 2329 BGB unmittelbar gegen den Beschenkten richtet. Soweit ein Durchgriff auf den Beschenkten nicht beabsichtigt ist und der Nachlass noch nicht geteilt ist, sollte die Klage stets gegen alle in Betracht kommenden Erben (Gesamtschuldner) gerichtet werden, da sonst die einzelnen Miterben die Möglichkeit haben, dem Pflichtteilsberechtigten die Einrede des ungeteilten Nachlasses nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB entgegenzuhalten. In der Zwangsvollstreckung ist dies aber nur möglich, wenn die Einrede im Urteil vorbehalten wurde, § 780 ZPO.
Rz. 154
Grundsätzlich sind Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB die Erben. Dies gilt auch dann, wenn ein Dritter – also keiner der Erben – die Schenkung erhalten hat. Wird im Laufe eines Prozesses gegen den bzw. die Erben die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses geltend gemacht, kann der Pflichtteilsergänzungsberechtigte seinen Klageantrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den verschenkten Gegenstand nach § 2329 BGB umstellen. Dies setzt jedoch voraus, dass er neben dem bzw. den Erben gleichzeitig auch den Beschenkten verklagt hat. Nach Ansicht des BGH bildet die Umstellung des Klageantrages vom Zahlungsanspruch hin zum Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich keine unzulässige Klageänderung i.S.v. § 264 ZPO. Obwohl hinsichtlich der beiden Ansprüche unterschiedliche Verjährungsfristen (wegen unterschiedlicher Zeitpunkte des Verjährungsbeginns) gelten, hemmt nach Ansicht der Rspr. die gegen den Erben gerichtete Zahlungsklage auch die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe des Geschenks bzw. der Duldung der Zwangsvollstreckung, wenn der Erbe zugleich auch der Beschenkte ist.
Rz. 155
Nach erfolgter Auseinandersetzung kommt eine gesamtschuldnerische Haftung der Erben nur noch in Frage, soweit eine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit vorliegt. Dies ist hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, den einer der Miterben gegenüber einem anderen Miterben hat, aber nicht der Fall. Denn der anspruchsberechtigte Miterbe haftet nicht für seinen eigenen Pflichtteilsergänzungsanspruch mit der Folge, dass er sich insoweit auch nicht selbst in Anspruch nehmen muss.
II. Darlegungs- und Beweislast
Rz. 156
Der Anspruchsberechtigte hat im Prozess substantiiert darzulegen und ggf. auch zu beweisen, dass bestimmte lebzeitig zugewendete Gegenstände ohne die erfolgten Schenkungen Bestandteile des Nachlasses geworden wären. Darüber hinaus trägt er auch die Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Zuwendungen und für die von ihm behaupteten Werte der Zuwendungsgegenstände. Demgegenüber muss der in Anspruch Genommene die für etwaige Gegenleistungen maßgeblichen Tatsachen im Wege des substantiierten Bestreitens vortragen.
Rz. 157
Macht ein Miterbe Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend, so kann dies nur im Rahmen der Erbauseinandersetzung geschehen. Er hat hierzu den Bestand des gesamten Nachlasses darzulegen.