Rz. 75
Hat der Erblasser (Versprechensempfänger) – z.B. mit einer Bank oder einer Versicherungsgesellschaft (Versprechensgeber) – einen Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. §§ 328, 331 BGB (oder § 160 VVG) abgeschlossen, entsteht mit seinem Tod ein unmittelbarer schuldrechtlicher Anspruch in der Person des Begünstigten. Welches Valutaverhältnis dem Vertrag (zugunsten Dritter) zwischen Versprechensgeber und Erblasser (Versprechensempfänger) zugrunde liegt, spielt insoweit keine Rolle, es kann sich also auch um eine Schenkung auf den Todesfall handeln. Die Besonderheit des Vertrages zugunsten Dritter besteht darin, dass die Forderung gegenüber dem Versprechensgeber (etwa der Versicherungsgesellschaft) nicht in den Nachlass fällt, da sie von vornherein als Zugang zum Vermögen des (begünstigten) Dritten – und nicht des Versprechensempfängers – entsteht.
Rz. 76
Bei Lebensversicherungen ist vor diesem Hintergrund streng zu unterscheiden, ob der Erblasser (Versicherungsnehmer) im Versicherungsvertrag einen Bezugsberechtigten benannt hat oder nicht. Während im erstgenannten Fall grundsätzlich (Ausnahme: kreditsichernde Lebensversicherungen) ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt mit der Folge, dass der Leistungsanspruch kein Nachlassbestandteil wird, fällt im letzteren Fall die Versicherungssumme in vollem Umfang in den Nachlass. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine ausdrückliche Bezugsberechtigung nicht unbedingt eine namentliche Benennung im Versicherungsvertrag erfordert. Gem. §§ 159 Abs. 1, 160 Abs. 2 VVG erwerben z.B. auch die (gesetzlichen oder testamentarischen) Erben den Versicherungsanspruch unmittelbar (ohne Durchgangserwerb des Nachlasses), wenn als Bezugsberechtigte nur pauschal "die" oder "meine Erben" benannt sind.
Rz. 77
Einen Sonderfall bildet die als Kreditunterlage verwendete und zur Sicherung abgetretene Lebensversicherung. Eine Einordnung lediglich anhand des Kriteriums der Benennung eines Bezugsberechtigten führt hier nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Aus diesem Grund ist der Lösung des BGH, der den der Kreditsicherung dienenden Teil der Versicherungsleistung als Nachlassbestandteil ansieht, zuzustimmen. Diesem Ergebnis liegt die Überlegung zugrunde, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich die ursprüngliche Bezugsberechtigung auch im Falle der Sicherungsabtretung der Versicherungsleistung nicht widerrufen will. Vielmehr führt die Zurverfügungstellung der Versicherung als Kreditunterlage lediglich zu einer Art Rangrücktritt gegenüber dem gesicherten Gläubiger. Daher kann der zur Befriedigung des Gläubigers nicht benötigte Teil der Versicherungsleistung entsprechend der ursprünglich mit der Versicherungsgesellschaft vereinbarten Bezugsberechtigung (am Nachlass vorbei) auf den Begünstigten übergehen. Nur soweit tatsächlich der Sicherungsfall eintritt und die Lebensversicherung zur Tilgung von Schulden des Erblassers eingesetzt wird, bildet sie einen Nachlassbestandteil, der i.R.d. Berechnung des ordentlichen Pflichtteils – ebenso wie die gesicherte Verbindlichkeit – zu berücksichtigen ist.
Rz. 78
Ein besonderes Problem im Bereich der Verträge zugunsten Dritter bildet die genaue rechtliche Einordnung des Valutaverhältnisses. Denn nur wenn hier eine Schenkung vorliegt, kommen Pflichtteilsergänzungsansprüche in Betracht. Im Einzelfall ist daher stets zu prüfen, ob statt einer Schenkung evtl. eine Ausstattung (§ 1624 BGB) oder eine ehebezogene Zuwendung, die unter Umständen ebenfalls pflichtteilsfest sein kann, vorliegt (wegen der Berechnung des Wertes der Zuwendung vgl. Rdn 107 ff. bzw. Rdn 135 ff.).