Rz. 80
Da eine Schenkung (um ergänzungspflichtig zu sein) zu Lebzeiten des Erblassers wirksam ausgeführt worden sein muss, scheiden solche Schenkungen, die noch zu Lebzeiten des Erblassers rückabgewickelt wurden (egal aus welchen Gründen), für die Anwendung von § 2325 BGB von vornherein aus.
Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Erblasser ein Rückforderungsrecht ausübt oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung zwischen Rückabwicklung der ursprünglichen Schenkung auf der einen und echter "Rückschenkung" auf der anderen Seite. Während die Rückabwicklung die ursprüngliche Zuwendung und die durch sie ausgelöste Ergänzungspflicht beseitigt, lässt die Rückschenkung diese bestehen. Gleichzeitig kann sie ihrerseits Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem (ursprünglich) Beschenkten auslösen. Vor diesem Hintergrund ist gerade bei als Schenkung bezeichneten Rückübertragungen (des ursprünglichen Geschenks oder eines Surrogats) umso genauer zu prüfen, ob nicht tatsächlich zwischen den Vertragsbeteiligten eine bloße Vertragsaufhebung und damit Rückabwicklung der ursprünglichen Schenkung beabsichtigt war.
Rz. 81
Hat der Erblasser unter Missachtung der in einem Erbvertrag oder bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament getroffenen Bestimmungen bestimmte Vermögensgegenstände lebzeitig einem Dritten zugewendet, so dass dem (Vertrags-)Erben ein Rückgewähranspruch gem. § 2287 BGB zusteht, ändert dies am Schenkungscharakter der betroffenen Zuwendungen zunächst nichts; sie unterliegen daher grundsätzlich dem Pflichtteilsergänzungsanspruch. Unproblematisch ist dies in den Fällen, in denen der Vertragserbe seinen Rückgewähranspruch nicht geltend macht oder ausdrücklich auf ihn verzichtet.
Rz. 82
Schwieriger zu lösen sind aber die Fälle, in denen der Vertragserbe die Rückgabe des Geschenks an sich erreicht bzw. den Anspruch durchsetzt. Denn § 2287 BGB gewährt dem benachteiligten Erben einen persönlichen Anspruch, der nicht Bestandteil des Nachlasses wird. Ist der Nachlass unzureichend, folgt hieraus, dass dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben weder gem. § 2303 BGB noch gem. § 2325 BGB ein Anspruch zustehen kann. Auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB kann nicht bestehen, da der Beschenkte nach Rückgabe des Geschenks nicht mehr bereichert ist. Dieses Ergebnis wird zu Recht als ungerecht empfunden. Somit erscheint es gerechtfertigt, dem Pflichtteilsberechtigten in analoger Anwendung von § 2329 BGB einen Ergänzungsanspruch gegen den Erben einzuräumen, wobei aber Schenkungen außerhalb der Zehnjahresfrist unberücksichtigt bleiben. Zu demselben Ergebnis gelangt auch die Rspr., die den Herausgabeanspruch des Erben von der Zahlung des unter Einbeziehung des Geschenks berechneten ordentlichen Pflichtteils abhängig macht. Hat der reale Nachlass keinen – ausreichenden – Wert, kann der Vertragserbe die Herausgabe des Geschenks nach § 2287 BGB nur verlangen, wenn er den als Pflichtteilsergänzungsanspruch aus dem Geschenk geltend gemachten Betrag an den Pflichtteilsberechtigten bezahlt. Dieser Sichtweise ist im Ergebnis auf jeden Fall zuzustimmen, da der Pflichtteilsberechtigte denselben Anspruch auch gehabt hätte, wenn eine Ansprüche nach § 2287 BGB auslösende Verfügung des Erblassers nicht erfolgt wäre. Der wirtschaftliche Wert des Pflichtteilsanspruchs darf durch derartige Gestaltungen des Erblassers nicht ausgehöhlt werden.
Rz. 83
Besondere Probleme werfen Gestaltungen auf, bei denen nicht ein Dritter, sondern der Pflichtteilsberechtigte selbst Empfänger einer den Vertragserben beeinträchtigenden Schenkung ist. Soweit in dieser Konstellation der Vertragserbe die Herausgabe des Geschenks nach § 2287 BGB verlangt, muss dessen Wert jedenfalls in die Pflichtteilsberechnung einbezogen werden.
Rz. 84
Problematisch ist überdies die Behandlung von Schenkungen, die wegen Notbedarfs des Schenkers nach § 528 BGB zurückgefordert werden können. Soweit das Geschenk tatsächlich zurückgewährt wurde oder die Rückgewähr durch Unterhaltszahlungen nach § 528 Abs. 1 S. 2 BGB abgewendet wurden, ist der Beschenkte nicht mehr bereichert, so dass insoweit Pflichtteilsergänzungsansprüche ausscheiden. Relevant ist dann nur noch die dem Beschenkten verbliebene Bereicherung. Ebenso sind Fälle zu behandeln, in denen der Träger der Sozialhilfe Rückgewähransprüche erfolgreich auf sich übergeleitet hat.