Rz. 17

Hat der Erblasser mehrere Personen durch zeitlich aufeinander folgende Zuwendungen beschenkt, so haftet der frühere Beschenkte nur, soweit der später Beschenkte nicht verpflichtet ist, Abs. 3. Die Vorschrift entspricht § 528 Abs. 2 BGB. Diesem Grundsatz der Posteriorität liegt der Gedanke zugrunde, dass sich durch zunehmenden Zeitablauf die Bestandskraft einer Schenkung immer mehr festigt.[29] Maßgebend für die zeitliche Reihenfolge ist der Vollzug der Schenkung, nicht etwa das Schenkungsversprechen.[30] Der Zeitpunkt des Erbfalles ist maßgeblich, wenn ein Schenkungsversprechen bis zum Tod des Erblassers nicht erfüllt ist.[31] An der Haftungsreihenfolge kann der Erblasser durch eigene Anordnungen nichts ändern.[32]

 

Rz. 18

Nach Rspr. und h.M. im Schrifttum ist der früher Beschenkte für die Leistungsfähigkeit des später Beschenkten nicht verantwortlich. Er haftet nur bei fehlender rechtlicher Zahlungsverpflichtung des später Beschenkten, nicht aber bei dessen Zahlungsunfähigkeit.[33] Die zehnjährige Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB kann bei der Beurteilung der Frage, ob der später Beschenkte "nicht verpflichtet" ist, eine Rolle spielen. So kann der früher beschenkte Ehegatte, für den die Zehnjahresfrist nicht läuft, verpflichtet sein, während ein später Beschenkter nicht (mehr) haftet, weil er sein Geschenk mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall erhalten hat.[34] Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt zur Entscheidung der Frage, wann der früher Beschenkte haftet, ist nach der Rspr. des BGH die Rechtshängigkeit des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Beschenkten, § 818 Abs. 4 BGB, bzw. dessen haftungsverschärfende Kenntnis, § 819 Abs. 1 BGB, wobei das tatsächliche Ergebnis der Zwangsvollstreckung für die "Verpflichtung" des später Beschenkten und damit auch für die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des früher Beschenkten unbeachtlich ist.[35] Das wird in der Lit. kritisch gesehen, da hierdurch der Ergänzungsberechtigte und nicht der Beschenkte das Risiko des zufälligen Untergangs zu tragen habe.[36]

 

Rz. 19

Auf mehrere Geschenke an dieselbe Person ist Abs. 3 entsprechend anzuwenden.[37] Wurden mehrere Personen gleichzeitig beschenkt, haften sie anteilig nach dem Verhältnis der Schenkungsbeträge.[38]

[29] Soergel/Dieckmann, § 2329 Rn 22.
[30] BGH NJW 1983, 1485; OLG Frankfurt BeckRS 2011, 25574.
[31] BGHZ 85, 274; OLG Frankfurt EbR 2008, 231.
[32] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 10 Rn 24.
[33] BGHZ 17, 336 = NJW 1955, 1185; Soergel/Dieckmann, § 2329 Rn 24; MüKo/Lange, § 2329 Rn 14.
[34] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 10 Rn 24.
[35] BGHZ 17, 336 = NJW 1955, 1185.
[36] MüKo/Lange, § 2329 Rn 23; Staudinger/Olshausen, § 2329 Rn 58.
[37] OLG Celle ZEV 2014, 54.
[38] OLG Hamm FamRZ 2011, 594; MüKo/Lange, § 2329 Rn 25.

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