Gesetzestext
Die Vorschriften der §§ 2325 bis 2329 finden keine Anwendung auf Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird.
A. Allgemeines
Rz. 1
Pflicht- und Anstandsschenkungen unterliegen nicht der Pflichtteilsergänzung. Die Vorschrift ordnet sich ein in die Reihe der Normen des BGB, die für Pflicht- und Anstandsschenkungen Sonderregelungen vorsehen. Hierunter fallen einerseits die Vorschriften, die diese Schenkungen vom allg. Schenkungsverbot ausnehmen, vgl. §§ 1425 Abs. 2, 1641, 1804, 2113 Abs. 2, 2205 BGB, und andererseits die, die vor Rückforderung bzw. Widerruf bewahren, §§ 534, 814 BGB. Ob eine Pflicht- oder Anstandsschenkung vorliegt, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Hierunter fallen etwa persönliche Beziehungen, Lebensstellung, Vermögensverhältnisse des Erblassers und ggf. das Gewicht von zu belohnenden Leistungen des Beschenkten.
B. Tatbestand
I. Anstandsschenkungen
Rz. 2
Zu Anstandsschenkungen zählen kleinere Zuwendungen zu bestimmten Tagen, wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern etc., oder Anlässen, wie Hochzeit, Geburt oder Abitur etc. Auch Trinkgelder zählen hierzu. Eine wichtige Rolle spielen die örtlichen und gesellschaftlichen Verkehrssitten. Keine Anstandsschenkungen sind etwa Zuschüsse zu Baukosten oder die Zuwendung der Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung.
Rz. 3
Ob eine Anstandsschenkung vorliegt, richtet sich im Übrigen nach den Umständen des Einzelfalls. Für eine Anstandsschenkung kann der Umstand sprechen, dass der Erblasser bei Unterlassen derselben einen Achtungsverlust in seinem sozialen Umfeld erleiden würde.
II. Pflichtschenkungen
Rz. 4
Im Gegensatz zu den Anstandsschenkungen können Pflichtschenkungen einen erheblichen Wert haben und den Nachlass u.U. aufzehren. Eine Pflichtschenkung unterliegt der Pflichtteilsergänzung nur dann nicht, wenn sie sittlich geboten war mit der Folge, dass ihr Unterbleiben die Verletzung einer sittlichen Pflicht bedeuten würde. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei insbesondere abzustellen ist auf die Vermögensverhältnisse des Erblassers, seine persönliche Beziehung zum Beschenkten, aber auch Leistungen, die der Bedachte für den Erblasser erbracht hat. Die Schenkung darf nicht im Widerspruch zu anderen Pflichten des Erblassers stehen, insbesondere zur Pflicht, pflichtteilsberechtigten nahen Angehörigen die gesetzlich vorgesehene Mindestteilhabe am Nachlass zu erhalten. In diesen Fällen ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Rz. 5
Einzelfälle:
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Einräumung des Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung zugunsten der unversorgten Ehefrau |
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Sicherung des Lebensunterhalts für den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft |
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Zuwendung eines Grundstücks für unbezahlte langjährige Dienste im Haushalt oder auch für unentgeltliche Pflege und Versorgung |
Rz. 6
Die Zuwendung eines Gesellschaftsanteils an einer GbR stellt nicht automatisch eine im Rahmen der Pflichtteilsergänzung außer Acht zu lassende Pflichtschenkung dar, auch wenn damit die Übernahme von Gesellschafterpflichten verbunden ist.
Rz. 7
Die Absicherung des überlebenden Ehegatten rechtfertigt nur dann die Einschränkung des Pflichtteilsrechts naher Angehöriger i.S.d. § 2330 BGB, wenn diese in einer Weise sittlich geboten war, dass ein Unterlassen der Zuwendung dem Erblasser als Verletzung einer für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre.
Rz. 8
Die belohnende Zuwendung für Pflegeleistungen kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände, wie z.B. schwerer persönlicher Opfer der Pflegeperson, eine Zuwendung i.S.d. § 2330 BGB sein. Gleiches gilt für eine Grundstücksübertragung zum Zwecke der Absicherung eines Behinderten. Die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen sind nicht verallgemeinerungsfähig und stellen keine allg. gültigen Kategorien dar.
III. Belohnende Schenkung
Rz. 9
Pflicht- und Anstandsschenkungen können auch belohnende Schenkungen sein. Eine belohnende Schenkung, die auf Kosten des Pflichtteilsberechtigten geht, ist nur dann i.S.d. § 2330 BGB sittlich geboten, wenn das Ausbleiben einer solchen Belohnung für die erbrachten Leistungen sittlich anstößig wäre, weil der Beschenkte einer Versorgung bedarf oder weil er infolge der für den Schenker erbrachten Leistungen in Notlage geriet.
IV. Maßgeblicher Zeitpunkt
Rz. 10
Für die B...