I. Anwendungsbereich
Rz. 2
Die Vorschrift ist anwendbar auf den ordentlichen Pflichtteilsanspruch gem. §§ 2303, 2305, 2307 BGB und den Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§ 2325 ff. BGB, der sich gegen den nur beschränkt haftenden pflichtteilsberechtigten Erben richtet, nicht jedoch den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2329 BGB, unabhängig davon, ob hierfür der Beschenkte oder der Erbe selbst haftet.
II. Stundungsberechtigte
Rz. 3
Die Stundung kann von jedem Erben verlangt werden. Auch der Nachlasspfleger (§§ 1960, 1961 BGB), der Nachlassverwalter (§ 1984 BGB) und der Insolvenzverwalter können die Stundung verlangen, nicht jedoch der Testamentsvollstrecker.
Bei Vorhandensein mehrerer Miterben sind die Voraussetzungen der Stundung für jeden Miterben einzeln zu prüfen.
Eine dem einzelnen Miterben gewährte Stundung kommt auch den anderen Miterben zugute.
III. Antragsgegner
Rz. 4
Antragsgegner ist ein Pflichtteilsberechtigter, der seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben durchsetzen will, also den Pflichtteil geltend macht. Werden Pflichtteilsansprüche von mehreren Berechtigten geltend gemacht, muss der pflichtteilsberechtigte Erbe die Stundung jedes einzelnen Anspruchs beantragen. Die Anträge müssen nicht einheitlich beschieden werden.
IV. Voraussetzungen
Rz. 5
Voraussetzung für die Stundung ist einerseits, dass die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeuten würde. Andererseits müssen die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen berücksichtigt werden.
1. Unbillige Härte für den Erben
Rz. 6
Ein Antrag auf Stundung kann nur positiv beschieden werden, wenn die sofortige Erfüllung des Anspruchs den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände unbillig hart treffen würde, Abs. 1 S. 1. Wann eine solche unbillige Härte vorliegt, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt. Die "insbesondere"-Aufzählung im Gesetz kann nicht hierfür herangezogen werden. Die Aufzählung diente früher der Erläuterung des Begriffs der ungewöhnlichen Härte. Beispielhaft aufgezählt sind die Aufgabe des Familienheims und die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes, das die wirtschaftliche Lebensgrundlage des pflichtteilsberechtigten Erben bildet.
Rz. 7
Unter den Begriff des "Wirtschaftsgutes" i.S.d. Vorschrift fallen gewerbliche Unternehmungen, Mietshäuser, landwirtschaftliche Güter, Beteiligungen an Handelsgesellschaften etc.
Rz. 8
Allein die Tatsache, dass Nachlassvermögen wegen der Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zur Unzeit veräußert werden müsste, reicht für die Stundung des Anspruchs nicht aus.
Rz. 9
Die Stundungsvoraussetzungen sind gleichfalls nicht erfüllt, wenn der Erbe Kunstgegenstände, Antiquitäten oder Familienerbstücke veräußern muss, die zwar schon lange im Familienbesitz waren, die er aber nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage benötigt. Ein ungünstiger Aktienkurs stellt genauso wenig einen Stundungsgrund dar. Nach der Rspr. des BGH soll bei Liquiditätsproblemen auf die Möglichkeit der Stundung zurückgegriffen werden können.
2. Angemessene Berücksichtigung der Interessen des Pflichtteilsberechtigten
Rz. 10
Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind bei der Stundung angemessen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass die Interessen des Pflichtteilsberechtigten dann angemessen berücksichtigt sind, wenn eine hinreichende Absicherung seiner Rechtsposition erfolgt, damit das Vermögen nicht von den Erben durchgebracht werden kann. Es hat eine Interessensabwägung zu erfolgen.
Rz. 11
Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten werden in erster Linie durch seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse geprägt. Zur Sicherung des Interesses des Pflichtteilsberechtigten können Sicherheiten bestellt werden, Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 1382 Abs. 3 BGB.