1. Kenntnis vom Erbfall
Rz. 3
Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht gem. § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall und verjährt in drei Jahren. Der Beginn der Verjährungsfrist bestimmt sich nach § 199 BGB. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (hier: der Pflichtteilsberechtigte) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Das Erfordernis der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall und der ihn beeinträchtigenden Verfügung erlangt.
Rz. 4
Die Kenntnis muss in der Person des Pflichtteilsberechtigten selbst eintreten. Ist der Pflichtteilsberechtigte geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist grundsätzlich die Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters maßgeblich. Hat der Minderjährige keinen gesetzlichen Vertreter oder wurde ein solcher nicht wirksam bestellt, hat er keine Kenntnis und bleibt auch nicht grob fahrlässig in Unkenntnis. Ist der überlebende Elternteil des minderjährigen Pflichtteilsberechtigten gleichzeitig auch Schuldner des Pflichtteilsanspruchs, beginnt nach § 207 Abs. 1 BGB die dreijährige Verjährungsfrist nicht vor der Vollendung des 21. Lebensjahres des Pflichtteilsberechtigten zu laufen. Setzt der Erblasser einen minderjährigen Abkömmling zum Erben ein und enterbt er den anderen, kann der überlebende Elternteil den Pflichtteilsanspruch für den enterbten Abkömmling nicht geltend machen. § 207 BGB ist nicht anwendbar. Es gilt § 210 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass die Verjährung während der Dauer der Minderjährigkeit nicht eintritt, sondern aufgrund sog. Ablaufhemmung erst sechs Monate nach Eintritt der Volljährigkeit. Etwas anderes gilt, wenn für den enterbten Abkömmling nach § 1909 BGB eine Pflegschaft eingerichtet wird.
Wurde für einen geschäftsunfähigen Pflichtteilsberechtigten ein Betreuer bestellt, kommt es auf die Kenntnis des Betreuers an, soweit die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen in seinen Aufgabenbereich fällt.
Rz. 5
Kenntnis vom Erbfall ist gegeben, sobald der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers erfahren hat. Hinsichtlich eines Verschollenen ist die Kenntnis von dessen Für-Tod-Erklärung maßgeblich. Bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft durch den Erblasser beginnt die Frist des Abs. 1 mit der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Tod des Erblassers. Der Tod des Vorerben bzw. der Eintritt des Nacherbfalls ist nicht maßgeblich. Soweit ein Pflichtteilsanspruch während der Zeit der Vorerbschaft verjährt, kann auch später ein eventueller Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem Nacherben nicht mehr geltend gemacht werden.
2. Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung
Rz. 6
Weitere Voraussetzung ist die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der beeinträchtigenden Verfügung. Beeinträchtigende Verfügungen i.S.d. Vorschrift sind Verfügungen von Todes wegen oder Rechtsgeschäfte unter Lebenden, insbesondere ergänzungspflichtige Schenkungen i.S.d. §§ 2325, 2326 BGB, die parallel oder kumulativ zusammentreffen können. Eine Verfügung von Todes wegen ist stets beeinträchtigend, wenn durch sie Pflichtteilsansprüche ausgelöst werden, §§ 2303, 2305, 2306, 2307 BGB. Ist der Pflichtteilsberechtigte durch eine Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt, so muss sich seine Kenntnis auf diese Verfügung beziehen, da sich aus ihr die Beeinträchtigung ergibt.
Rz. 7
Der Berechtigte muss erkannt haben, dass er aufgrund der Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass er eine alle Einzelheiten berücksichtigende Prüfung der Verfügung von Todes wegen vornimmt. Ebenso wenig ist eine fehlerfreie Bestimmung ihrer rechtlichen Natur notwendig. Der Pflichtteilsberechtigte muss noch nicht einmal die Urkunde selbst kennen. Es genügt vielmehr, wenn er aufgrund mündlicher Mitteilung Kenntnis von der Verfügung erlangt mit der Folge, dass die Verjährungsfrist auch bereits vor der Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen und deren amtlicher Verkündung beginnen kann. Die unrichtige Auslegung einer letztwilligen Verfügung, die der Pflichtteilsberechtigte als wirksam und grundsätzlich beeinträchtigend erkannt hat, hindert den Fristbeginn nicht. Berechtigte Zweifel an der Gültigkeit einer letztwilligen oder lebzeitigen Verfügung können die erforderliche Kenntnis ausschließen.