I. Grundsätzliches
Rz. 5
Der Katalog der Entziehungsgründe ist abschließend; die Tatbestände sind weder isoliert noch einer "Gesamtanalogie" zugänglich.
Unter Abkömmlingen sind die ehelichen und die nichtehelichen Kinder des Erblassers zu verstehen, ebenso adoptierte Kinder. Insoweit gilt dieselbe Definition wie i.R.d. § 2303 BGB.
Rz. 6
Traditionell setzt die Pflichtteilsentziehung in allen Fällen des § 2333 BGB ein Verschulden des Betroffenen voraus. Auch das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich das Bestehen eines Verschuldenserfordernisses festgehalten. Allerdings hat es zu Recht die früher durch die Zivilgerichte angewendete Auslegung des Verschuldensbegriffes nach strafrechtlichen Vorgaben für nicht mit dem GG vereinbar erklärt. Statt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit muss ein vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneter "natürlicher Vorsatz", mit dem der Pflichtteilsberechtigte den entsprechenden Tatbestand des Entziehungsgrundes verwirklicht hat, genügen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte im strafrechtlichen Sinne nicht voll schuldfähig ist, er aber dennoch zielgerichtet dem Erblasser oder einer anderen in den Schutzbereich des Abs. 1 einbezogenen Person für den Erblasser unerträgliche Misshandlungen zufügt. Der Gesetzgeber hat dem Petitum des Bundesverfassungsgerichts – unvollständig – dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass der Pflichtteil nunmehr auch demjenigen entzogen werden kann, der nur deswegen nicht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt werden kann, weil er schuldunfähig war bzw. ist und daher seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde (Abs. 1 Nr. 4). Nichtsdestotrotz dürfte sich die Feststellung des "natürlichen Vorsatzes" in der Praxis als äußerst schwierig erweisen, insbesondere auch in Bezug auf die Pflichtteilsentziehungsgründe nach Abs. 1 Nr. 1 und 2, hinsichtlich derer es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Definition des Schuldbegriffs im strafrechtlichen Sinne schlechterdings nicht ankommen kann.
II. Die Pflichtteilsentziehungsgründe im Einzelnen
1. Nach dem Leben trachten (Abs. 1 Nr. 1)
a) Kreis der potentiellen Opfer
Rz. 7
Abs. 1 Nr. 1 sanktioniert nicht das strafrechtlich an und für sich ohnehin verwerfliche Trachten nach dem Leben eines anderen Menschen. Vielmehr kommt eine hiermit begründete Pflichtteilsentziehung nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem Opfer um den Erblasser selbst, seinen Ehegatten bzw. gleichgeschlechtlichen Lebenspartner, einen Abkömmling des Erblassers i.S.v. § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB oder eine andere dem Erblasser ähnlich nahestehende Person handelt. Als Abkömmlinge in diesem Sinne sind neben den ehelichen auch die nichtehelichen Kinder anzusehen. Dasselbe gilt für Adoptivkinder.
Rz. 8
Nicht ohne Weiteres abzugrenzen ist aber, wer zu den dem Erblasser ähnlich nahestehenden Personen gehört. Der gleichgeschlechtliche Lebenspartner kann im Hinblick auf § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG kaum gemeint sein, er ist dem Ehegatten gleichgestellt.
Die Begründung des Gesetzentwurfes nennt beispielhaft die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, wobei eine allgemein gültige Abgrenzung auch auf dieser Grundlage schwierig erscheint. Grundsätzlich ist eine einzelfallbezogene Betrachtung anhand der konkreten Umstände angezeigt. I.d.R. wird man trotz allem davon ausgehen können, dass zu den nahestehenden Personen jedenfalls Stiefkinder und Pflegekinder gehören. Das Gleiche dürfte für Lebens- bzw. Lebensabschnittsgefährten gelten. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen offenbar auch dessen bzw. deren Kinder zu den ähnlich nahestehenden Personen zählen, wenn sie dauerhaft im Haushalt des Erblassers leben.
Rz. 9
Fraglich ist die Einbeziehung von Stief- und Pflegeeltern, da diese nach der Gesetzesbegründung wohl nicht zum Kreis der ähnlich nahestehenden Personen zählen sollen. Insoweit wird man unterstellen müssen, dass Stief- und Pfle...