Rz. 5

Der Katalog der Entziehungsgründe ist abschließend;[11] die Tatbestände sind weder isoliert noch einer "Gesamtanalogie" zugänglich.[12]

Unter Abkömmlingen sind die ehelichen und die nichtehelichen Kinder des Erblassers zu verstehen, ebenso adoptierte Kinder. Insoweit gilt dieselbe Definition wie i.R.d. § 2303 BGB.[13]

 

Rz. 6

Traditionell setzt die Pflichtteilsentziehung in allen Fällen des § 2333 BGB ein Verschulden des Betroffenen voraus.[14] Auch das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich das Bestehen eines Verschuldenserfordernisses festgehalten.[15] Allerdings hat es zu Recht die früher durch die Zivilgerichte angewendete Auslegung des Verschuldensbegriffes nach strafrechtlichen Vorgaben[16] für nicht mit dem GG vereinbar erklärt.[17] Statt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit muss ein vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneter "natürlicher Vorsatz", mit dem der Pflichtteilsberechtigte den entsprechenden Tatbestand des Entziehungsgrundes verwirklicht hat, genügen.[18] Dies gilt insbesondere dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte im strafrechtlichen Sinne nicht voll schuldfähig ist,[19] er aber dennoch zielgerichtet dem Erblasser oder einer anderen in den Schutzbereich des Abs. 1 einbezogenen Person für den Erblasser unerträgliche Misshandlungen zufügt. Der Gesetzgeber hat dem Petitum des Bundesverfassungsgerichts – unvollständig – dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass der Pflichtteil nunmehr auch demjenigen entzogen werden kann, der nur deswegen nicht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt werden kann, weil er schuldunfähig war bzw. ist und daher seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde (Abs. 1 Nr. 4). Nichtsdestotrotz dürfte sich die Feststellung des "natürlichen Vorsatzes" in der Praxis als äußerst schwierig erweisen, insbesondere auch in Bezug auf die Pflichtteilsentziehungsgründe nach Abs. 1 Nr. 1 und 2, hinsichtlich derer es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Definition des Schuldbegriffs im strafrechtlichen Sinne schlechterdings nicht ankommen kann.[20]

[11] BeckOGK/Rudy, § 2333 Rn 15; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2333 Rn 4.
[12] BGH NJW 1977, 339, 340; OLG München NJW-RR 2003, 1230; OLG Nürnberg ErbR 2018, 280, 281; Schöpflin, FamRZ 2005, 2025, 2030; NK-BGB/Herzog, Vor § 2333–2338 Rn 2; MüKo/Lange, § 2333 Rn 11.
[13] Staudinger/Olshausen [2015], § 2333 Rn 2.
[14] OLG Düsseldorf NJW 1968, 944, 945; OLG Hamburg NJW 1988, 977; KG OLGZ 21, 344, 345; Lange/Kuchinke, § 37 XIII Fn 666; Soergel/Dieckmann, Vor § 2333 Rn 6; MüKo/Lange, § 2333 Rn 19, 26 f.
[16] OLG Düsseldorf NJW 1968, 944; OLG Hamburg NJW 1988, 977; KG OLG Rspr. 21, 344, 345; vgl. auch Staudinger/Olshausen [2015], vor § 2333 Rn 6; vgl. MüKo/Lange, § 2333 Rn 19 m.w.N.
[17] BVerfG ZErb 2005, 169; ebenso bereits Herzog, FF 2003, 19, 22; Lange/Kuchinke, § 37 XIII 2 a Fn 665.
[18] BeckOGK/Rudy, § 2333 Rn 17.
[20] MüKo/Lange, § 2333 Rn 19; Staudinger/Olshausen [2015], vor § 2333 Rn 6; ebenso wohl auch Kleensang, DNotZ 2005, 509, 522; ders., ZEV 2005, 277, 288. A.A. NK-BGB/Herzog, § 2333 Rn 4.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge