I. Wirkung der Pflichtteilsentziehung
Rz. 20
Die wirksame Pflichtteilsentziehung führt für den Betroffenen zum Verlust sämtlicher pflichtteilsrechtlicher Ansprüche. Das gilt sowohl für den ordentlichen Pflichtteilsanspruch (§§ 2303 ff. BGB) als auch für den Zusatzpflichtteil (§§ 2305, 2307 BGB) und den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB) sowie auch für die Auskunftsansprüche nach § 2314 BGB. Diese Wirkungen treten allerdings erst mit dem Erbfall ein, da bis zu diesem Zeitpunkt noch eine Verzeihung nach § 2337 BGB möglich ist. Im Regelfall schließt die Anordnung der Pflichtteilsentziehung konkludent auch eine Enterbung mit ein. Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings, wenn die Entziehung des Pflichtteils offenbar angeordnet wurde, um dem Betroffenen die Ausschlagung eines nach § 2306 Abs. 1 BGB belasteten Erbteils unter gleichzeitiger Pflichtteilsgeltendmachung zu verwehren, und es dem Erblasser erkennbar darauf ankam, dass der Betroffene den belasteten Erbteil annimmt.
Rz. 21
Der Erblasser kann dem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil auch nur teilweise entziehen und/oder Anordnungen nach § 2338 BGB treffen. Außerdem berechtigen die Pflichtteilsentziehungsgründe des § 2333 BGB den Erblasser auch zur Aufhebung bindend gewordener wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2271 Abs. 2 BGB) und zum Rücktritt von erbvertraglichen Verfügungen (§ 2294 BGB). Somit führt die Pflichtteilsentziehung im Ergebnis zu einer Erweiterung der Testierfreiheit des Erblassers, die ausschließlich ihm selbst bzw. den von ihm Bedachten zugute kommt und gerade nicht eine Erhöhung der Erb- bzw. Pflichtteilsquoten anderer Pflichtteilsberechtigter mit sich bringt. Dies gilt allerdings nur, soweit derjenige, dem der Pflichtteil entzogen wird, nicht gem. § 2309 BGB durch seine Abkömmlinge ersetzt wird. Denn die Pflichtteilsentziehung wirkt höchstpersönlich gegen den Pflichtteilsberechtigten, in dessen Person ein Entziehungsgrund vorliegt. Seine Abkömmlinge sind hiervon nicht betroffen, so dass § 2309 BGB uneingeschränkt anwendbar ist.
Rz. 22
Ungeachtet des Vorliegens eines Entziehungsgrundes i.S.v. § 2333 BGB und einer formell wirksamen Pflichtteilentziehung nach § 2336 BGB scheidet eine wirksame Pflichtteilsentziehung im Ergebnis aus, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten vor Eintritt des Erbfalls i.S.v. § 2337 BGB verziehen hat. Dies ändert jedoch am Fortbestand einer grundsätzlich mit der Pflichtteilsentziehung konkludent verbundenen Enterbung (vgl. oben Rdn 5) nichts.
II. Unwirksame Pflichtteilsentziehung
Rz. 23
Ist die Pflichtteilsentziehung nach den vorbeschriebenen Regeln gem. § 2336 BGB unwirksam, bleibt die in der Pflichtteilsentziehung im Regelfall enthaltene Enterbung des betroffenen Pflichtteilsberechtigten bestehen – vorausgesetzt, die Anwendung von § 2336 BGB scheitert nicht an Formmängeln der letztwilligen Verfügung. Denn auch wenn die Pflichtteilsentziehung unwirksam ist, macht der Erblasser mit ihr unmissverständlich deutlich, dass er dem Betroffenen nichts, mindestens aber so wenig als irgend möglich hinterlassen will. Dasselbe gilt auch dann, wenn die Pflichtteilsentziehung deshalb ins Leere geht, weil der Betroffene gar nicht pflichtteilsberechtigt ist.