I. Vorsatz, Rechtswidrigkeit, Schuld
Rz. 2
Der Erbunwürdige muss vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt haben und schuldfähig gewesen sein, auch wenn Letzteres bei Abs. 1 Nr. 1–3 nicht ausdrücklich genannt ist. Aus § 2345 BGB ergibt sich, dass sich der Täter einer in der Vorschrift bezeichneten Verfehlung "schuldig" gemacht haben muss. Mit Rücksicht auf den Normzweck ist beim Eingreifen von Entschuldigungsgründen eine Verfehlung gegen den Erblasser nicht zu bejahen.
Rz. 3
Dies gilt trotz der Entscheidung des BVerfG zur Pflichtteilsentziehung bei der Erbunwürdigkeit weiter. Das BVerfG hatte trotz Schuldunfähigkeit beim Vorliegen von "natürlichem Vorsatz" einen Fall des § 2333 Nr. 1 BGB a.F. anerkannt. Natürlicher Vorsatz soll vorliegen, wenn der Täter zwar im strafrechtlichen Sinne nicht schuldfähig, aber in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Anders als bei der Pflichtteilsentziehung wird bei der Erbunwürdigkeit aber kein realer, sondern ein hypothetischer Erblasserwille verwirklicht. Ein hypothetischer Wille, nachdem ein Erblasser einen schuldunfähigen Täter als erbunwürdig ansieht, kann aber nicht allgemein angenommen und daher nicht als vom Gesetzgeber als ausreichend angesehen werden.
Rz. 4
Bei der Pflichtteilsunwürdigkeit (§ 2345 BGB) sollte dies nach hier vertretener Ansicht anders beurteilt werden. Es liegt immer eine Äußerung des Erblassers vor. Er hat mit einer letztwilligen Verfügung den Pflichtteilsberechtigten schon so weit ausgeschlossen, wie dies möglich war. Damit sollte ein hypothetischer Wille für eine vollständige Enterbung angenommen werden. Zumindest bei natürlichem Vorsatz kommt es daher zur Pflichtteilsunwürdigkeit. Der BGH hat diese Frage bislang bewusst unbeantwortet gelassen.
Bei einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit entfällt der Vorsatz und damit auch die Schuld. Die Beweislast für die Schuldunfähigkeit zur Tatzeit trägt derjenige, der für erbunwürdig erklärt werden soll.
II. Keine Analogien
Rz. 5
Die Erbunwürdigkeitsgründe sind nach h.M. nicht analogiefähig. Zur Begründung wird auf den Strafcharakter oder die erschöpfende Aufzählung der Erbunwürdigkeitsgründe verwiesen. Zudem hätte der Gesetzgeber bei der Überarbeitung der Pflichtteilsentziehungsnormen auch die Erbunwürdigkeitsgründe erweitern können. Andererseits wird in der Lit. entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes zum Teil die Anwendung unmittelbarer Gewalt unter Abs. 1 Nr. 3 subsumiert (vgl. Rdn 23), und der BGH geht bei der Tötung des Vorerben durch den Nacherben von einer Regelungslücke i.R.d. §§ 2339 ff. BGB aus (vgl. Rdn 11).
III. Täterschaft und Teilnahme
Rz. 6
Wenn mehrere Personen die Tat begangen haben, kommt es auf den einzelnen Tatbeitrag grundsätzlich nicht an. Ausreichend sind gem. §§ 25–27 StGB also auch Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe. Bei untergeordneten Beihilfehandlungen sollte aber das Vorliegen des Vorsatzes streng geprüft werden.
IV. Erbunwürdigkeitsgründe
Rz. 7
Geschützt werden soll die Testierfreiheit. Daher haben die Erbunwürdigkeitsgründe die Gemeinsamkeit, dass der Täter zumindest auch die Testierfreiheit des Erblassers angegriffen haben muss.
1. Abs. 1 Nr. 1 1. Fall (vorsätzliche Tötung)
Rz. 8
Zur vorsätzlichen Tötung gehören die Tatbestände des Mordes und Totschlags (§§ 211, 212 StGB). Ist die Todesfolge nicht vom Vorsatz umfasst gewesen, liegt kein Fall des Abs. 1 Nr. 1 1. Fall vor (z.B. Körperverletzung mit Todesfolge, § 239 Abs. 4 StGB, fahrlässige Tötung, § 222 StGB). Möglich ist dann die Variante des Abs. 1 Nr. 1 3. Fall. Bei einer Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) liegt zwar Vorsatz, aber auch eine Einwilligung vor, so dass eine Erbunwürdigkeit nicht gegeben ist.
Rz. 9
Kein Tötungsdelikt liegt vor, wenn ein Behandlungsabbruch entsprechend den gesetzlichen Vorschriften (§§ 1901a, 1901b BGB) vorgenommen wird. Eine gerichtliche Genehmigung des Behandlungsabbruchs ist gem. § 1904 BGB entbehrlich, wenn zwischen dem Vertreter des Betroffenen und dem Arzt Einvernehmen besteht. Wird aber nicht nach dem von §§ 1901a, 1901b BGB vorgegebenen Verfahren gehandelt und liegt auch eine Einwilligung wie im Fall des § 216 StGB nicht vor, kommt es grundsätzlich zur Erbunwürdigkeit, etwa bei der versuchten Tötung eines geschäftsunfähigen Ehegatten. Die Geschäfts-(und Testier-)unfähigkei...