I. Anfechtbarkeit (Abs. 1 S. 2)
Rz. 6
Die Pflichtteils- bzw. Vermächtnisunwürdigkeit wird durch (formlose) Anfechtungserklärung durch den Anfechtungsberechtigten geltend gemacht.
1. Anfechtungsberechtigte
Rz. 7
Anfechtungsberechtigt ist gem. § 2341 BGB derjenige, dem der Wegfall des Anspruchs des Unwürdigen zustattenkommt, sei es auch nur als Ersatzberechtigter eines anderen. Daher kann auch der Nicht-Erbe, der nur mit einem Vermächtnis bedacht ist, gegenüber dem unwürdigen Pflichtteilsberechtigten anfechten, sofern zu erwarten ist, dass der Erbe die Erfüllung des Vermächtnisses gem. § 2318 BGB zum Teil verweigert, weil der Vermächtnisnehmer anteilig die Pflichtteilslast zu tragen hätte. Richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Unwürdigen gem. § 2329 BGB gegen den Beschenkten, ist auch dieser anfechtungsberechtigt.
2. Frist
Rz. 8
Die Rückforderung des Pflichtteils und Vermächtnisses ist ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb der Frist des § 2082 BGB die Anfechtung erklärt wurde. Die Anfechtungsfrist beginnt allerdings schon mit Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von den die Pflichtteils- oder Vermächtnisunwürdigkeit begründenden Umständen zu laufen. Auf die Beweisbarkeit kommt es hier, anders als bei der Erbunwürdigkeit, nicht an. Der Erbe ist aber auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist gem. § 2345 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2083 BGB berechtigt, die Erfüllung des Vermächtnisses oder des Pflichtteilsanspruchs zu verweigern.
II. Keine Klage notwendig (Abs. 1 S. 2)
Rz. 9
Die hauptsächliche Abweichung des § 2345 BGB gegenüber der Erbunwürdigkeit im eigentlichen Sinne besteht darin, dass diese Norm nicht auf § 2342 BGB verweist und daher die Erhebung einer Klage zur Anfechtung im Gegensatz zur Erbunwürdigkeit nicht erforderlich ist.
Rz. 10
Die Erhebung der Anfechtungsklage mit dem Ziel der Erklärung der Erbunwürdigkeit schließt die in § 2345 BGB geforderte Anfechtungserklärung wegen Vermächtnis- und Pflichtteilsunwürdigkeit regelmäßig mit ein. Deshalb können die übrigen Miterben die Erfüllung eines Vermächtnisses nach Erhebung der Anfechtungsklage gegenüber dem Erbunwürdigen verweigern, wenn der Erblasser mehrere Erben eingesetzt und zugunsten des Erbunwürdigen ein Vorausvermächtnis ausgesetzt hat.
III. Wirkungen der Anfechtung
Rz. 11
Der Anspruch aus dem Vermächtnis oder der Pflichtteilsanspruch werden nach § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend beseitigt. Ist ein Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt (§ 2190 BGB), erwirbt dieser das Recht, während beim Vorhandensein von Mitvermächtnisnehmern eine Anwachsung des Anspruchs (§ 2158 BGB) stattfindet. Ohne Ersatz- oder Mitvermächtnisnehmer erlischt der Vermächtnisanspruch.
Rz. 12
Durch die Unwürdigkeit eines Pflichtteilsberechtigten erhalten dessen Abkömmlinge, soweit diese mit dem Erblasser verwandt sind, wiederum ein Pflichtteilsrecht, weil der Unwürdige diese von ihrem Pflichtteil nicht mehr ausschließt (§ 2309 BGB). Die Einrede der Unwürdigkeit kann der Erbe aber auch noch nach Ablauf der Frist gem. § 2082 BGB geltend machen. Für die Rückforderung bereits erfüllter Pflichtteilsansprüche gilt Bereicherungsrecht.
IV. Klage, Schiedsfähigkeit
Rz. 13
Ein Rechtsstreit um die Pflichtteils- oder Vermächtnisunwürdigkeit wird wie andere erbrechtliche Auseinandersetzungen vor den ordentlichen Gerichten geführt. Der potentiell Unwürdige wird eine vorrangige Leistungsklage erheben müssen, in der inzident die Unwürdigkeit geprüft wird. Der Erbe kann Feststellungsklage erheben, wenn sich der potentiell Unwürdige eines Anspruchs trotz Unwürdigkeit berühmt.
Rz. 14
Da der Erblasser über das Vermächtnis disponieren kann und Erbe und Vermächtnisnehmer es auch können, ist eine Schiedsklausel in einer letztwilligen Verfügung nach § 1066 ZPO ebenso zulässig wie eine Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO.
Über das Pflichtteilsrecht kann der Erblasser nicht verfügen, so dass eine Schiedsklausel nicht wirksam wäre, wohl aber eine Vereinbarung zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten über einen schuldrechtlichen Anspruch.