a) Allgemeines
Rz. 6
Der Verzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Der unentgeltliche Verzicht ist relativ häufig. Abkömmlinge erklären ihn z.B. aufgrund elterlicher Autorität, sittlichen Verpflichtungsgefühls oder auch rechtlicher Unkenntnis. Oft wird ihnen von den Eltern zugesichert, dass sie nach dem letztversterbenden Elternteil Erben werden würden. Eine erbvertragliche Bindung der Eltern erfolgt aber meist ebenso wenig wie eine Aufklärung über die Gefahr des "Verschwindens" von Vermögen zu Lebzeiten der Eltern und über die Schwäche des Anspruchs aus § 2287 BGB (analog).
b) Unentgeltlicher Verzicht
Rz. 7
Der unentgeltlich erklärte Verzicht ist nach allgemeiner Meinung keine Schenkung des Verzichtenden. Im Moment des Verzichts wird das Vermögen des Erblassers nicht bereichert, wie es § 516 Abs. 1 BGB verlangt, und das des Verzichtenden nicht gemindert. Schließlich stellt § 517 BGB klar, dass – obwohl der Verzichtsempfänger einen Vorteil erhält – u.a. der Verzicht auf ein angefallenes, aber noch nicht endgültig erworbenes Recht oder die Ausschlagung einer Erbschaft keine Schenkungen darstellen.
c) Entgeltlicher Verzicht
Rz. 8
Eine Abfindung für einen Erbverzicht ist, soweit sie in der Höhe der Erberwartung entspricht, keine unentgeltliche Zuwendung und löst daher keine Pflichtteilergänzungsansprüche nach § 2325 BGB aus; bei einem reinen Pflichtteilsverzicht ist dies umstritten, nach hier vertretener Ansicht aber grundsätzlich ebenso zu sehen.
Der BGH hatte im Jahr 1991 über eine Anfechtung nach dem AnfG zu entscheiden. Ein Pflichtteilsverzicht wurde in diesem Zusammenhang nicht als "Gegenleistung für die Übertragung wertvollen Grundbesitzes" gesehen. Mit der erbrechtlichen Problematik setzte sich der BGH aber nicht auseinander. In einem Urteil aus dem Jahr 1985 hatte der BGH noch auf das uneinige Schrifttum verwiesen und die Frage ausdrücklich offengelassen. Im Jahr 2008 entschied der BGH, dass ein Entgelt bzw. eine angemessene Abfindung für einen Erbverzicht nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegt. Dies bestätigte er im Jahr 2015 für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Dabei muss die Abfindung in etwa der Erberwartung entsprechen.
Rz. 9
Ob dies auch auf den Pflichtteilsverzicht übertragen werden kann, ist auch nach der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2015, in der nicht näher differenziert wurde, fraglich. Nach hier vertretener Ansicht ist das nicht möglich. Wirtschaftlich gibt der Pflichtteilsberechtigte seine Teilhabe am Nachlass regelmäßig auf, da der Erblasser meist beabsichtigen wird, ihn zu enterben. Jedenfalls wenn die Abfindung dem Wert des Pflichtteilsanspruchs entspricht, sollte sie daher keinen Anspruch nach § 2325 BGB auslösen. Das kann allerdings nur gelten, wenn die Parteien tatsächlich eine Entgeltlichkeit wollten, also die Gegenleistung nicht nur zur Minderung des Nachlasswertes in den Vertrag aufnahmen, sondern zumindest beabsichtigt war, den Verzichtenden auch von der Erbfolge auszuschließen. Das könnte aus den im Zusammenhang mit dem Verzicht errichteten letztwilligen Verfügungen geschlossen werden.
d) Verknüpfung
Rz. 10
Eine Verbindung des abstrakten Verfügungs- mit dem Kausalgeschäft zu einer vertraglichen Einheit mit der Folge des § 139 BGB ist nach h.M. nicht möglich, was aber höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Die Geschäfte können aber mit einer Bedingung verknüpft werden. Als alternative Absicherung schlug Mittenzwei die "notariell beurkundete Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem. § 794 ZPO" vor. Die Wirksamkeit des Erbverzichts kann z.B. von der Leistung einer Abfindung abhängig gemacht werden.