I. Allgemein
Rz. 65
Der den Erbteil oder Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche umfassende abstrakte Verzicht ist einfach zu formulieren. Die Erklärung muss gem. § 2348 BGB (entsprechend) notariell beurkundet werden. Der Notar sollte darauf hinweisen, dass allein durch die Vereinbarung das gesetzliche Erbrecht nicht beeinträchtigt wird, sondern eine letztwillige Verfügung des Erblassers notwendig ist. Schwieriger kann das Kausalgeschäft, insbesondere bei einer Gegenleistung, zu formulieren sein.
II. Höhe der Abfindung
Rz. 66
Verhandlungen über eine Abfindung können für den Rechtsanwalt schwierig sein. Wird der potentielle Erblasser vertreten, kann schlicht ohne weitere Begründung eine feste Summe angeboten werden. Der kundige oder anwaltlich vertretene Gegner wird sich aber regelmäßig nur bei Offenlegung des Einkommens und des Vermögens des Erblassers auf Verhandlungen einlassen. Unter Umständen kann der den Verzichtenden vertretende Rechtsanwalt Schätzungen des Mandanten zugrunde legen und einen "Unsicherheitsaufschlag" verlangen.
Rz. 67
Bei offenen Gesprächen kann das Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Verzichts für die Abfindungsberechnung zugrunde gelegt und der Wert des Pflichtteilsanspruchs zu diesem Zeitpunkt als Abfindung vereinbart werden.
Rz. 68
Denkbar ist es aber für beide Seiten auch, auf Unwägbarkeiten hinzuweisen. Für eine niedrigere Abfindung würde bspw. sprechen, dass der Erblasser zu Lebzeiten noch viel Geld verbrauchen kann, entweder für Luxusausgaben oder für die Pflege im Alter, und durch Eheschließung sowie Adoption noch Personen hinzutreten können, welche die Erb- und Pflichtteilsquote senken würden. Für eine höhere Abfindung spricht es bspw., wenn aufgrund hohen Einkommens auch bei Pflegebedürftigkeit keine Minderung, sondern eher ein Anwachsen des Vermögens anzunehmen oder ein vorheriger Wegfall des quotenmindernden Ehegatten wahrscheinlich ist.
III. Vermeidung einer Sittenwidrigkeit
Rz. 69
Da höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde, ob bei Erb- und Pflichtteilsverträgen eine Inhaltskontrolle überhaupt möglich ist, ist es auch nicht sicher, ob und ggf. wie vorbeugend gestaltet werden sollte.
Gleichwohl wird eine Anpassung der Vertragsgestaltung schon empfohlen. Es werden sogar detaillierte Aufklärungs- und Formulierungsvorschläge angeboten. Ob diese im Einzelfall praktisch umgesetzt werden können oder die Anforderungen an den Berater überspannen und daher in Belehrungspflichten umzuinterpretieren sind, ist das eine sich ergebende Problem.
Rz. 70
Welche Gestaltung wirklich notwendig und empfehlenswert ist, ist das andere ohne Vorgaben der Rechtsprechung nicht befriedigend zu lösendes Problem.
Nach hier vertretener Ansicht dürfen die Anforderungen an die Rechtsberater nicht übertrieben werden. Der Notar hat sicher Aufklärungspflichten, insbesondere bei Situationen, in denen ein Missverhältnis der Leistungen oder ein ungleiches Kräfteverhältnis zwischen den Parteien offenkundig ist. Zu Letzterem kann auf die Grundsätze bei Eheverträgen verwiesen werden. Ein Missverhältnis der Leistungen kann vorliegen, wenn insbesondere bei einem großen Vermögen des potentiellen Erblassers der Verzichtende keine Abfindung erhält. Es sollte aber bei einer Aufklärung belassen werden, denn niemand ist verpflichtet, auf sein Pflichtteilsrecht zu bestehen. Möchte der Verzichtende den Wert des Vermögens nicht wissen oder verzichtet er auf Informationen, ist dies nach hier vertretener Ansicht ebenfalls zulässig und unbedenklich. Sinnvoll kann noch der Hinweis an den Verzichtenden sein, dass bei einem Verzicht, der nach Angaben des potentiellen Erblassers zum Schutz des überlebenden Ehegatten abgegeben werden soll, seine eigenen Interessen nur mit einem Erbvertrag (auch wiederum in Grenzen) gesichert werden.
Rz. 71
Der Rechtsanwalt darf nur eine Seite beraten: Wird der potentielle Erblasser vertreten, ist er zu einer Aufklärung des Verzichtenden in dessen Interesse nicht verpflichtet, im Gegenteil. Unter Umständen kann ein gewisses Maß an Aufklärung – ob nun im vorbereitenden Schriftverkehr oder bei der Beurkundung – aber im Interesse des potentiellen Erblassers sein, um eine spätere Inhaltskontrolle zu vermeiden. Grundsätzlich sollten nach hier vertretener Auffassung Urkunden möglichst weitgehend ohne Erklärungen zu Motiven verfasst werden, schon um nicht unnötig Anfechtungsgründe zu dokumentieren.
IV. Rechtsanwaltskosten
Rz. 72
Der Entwurf eines Pflichtteilsverzichts ist keineswegs eine rein notarielle Aufgabe – im Gegenteil. Der Rechtsanwalt kann und muss den Aufwand betreiben, den Sachverhalt und die Interessen ausreichend aufzuklären und die für den Mandanten individuell passende Formulierung zu finden. Als Parteivertreter kann und muss er insbesondere hinsichtlich des Kausalgeschäfts auf eine für den Mandanten günstige Gestaltung hi...