1. Erbverzicht
Rz. 20
Die wichtigste Wirkung des Erbverzichts ist die Veränderung der Erbquote. Auf sie wird unmittelbar durch den Erbverzicht eingewirkt. Eine enterbende letztwillige Verfügung ist nicht notwendig. Der Verzichtende entfällt gem. Abs. 1 S. 2 als Erbe, sog. "Vorversterbensfiktion". Die Quoten der anderen Erben erhöhen sich. Es können auch völlig neue Personen Erben werden.
Rz. 21
Hat bspw. ein unverheirateter Erblasser, dessen Eltern vorverstorben sind, ein Kind, welches einen Erbverzicht erklärt, ergibt sich Folgendes: Hat der Erblasser Geschwister, werden diese zu Erben, sonst weiter entfernte Verwandte. Der Erblasser muss also noch eine entsprechende letztwillige Verfügung verfassen, wenn er die gesetzliche Erbfolge vollständig ausschließen möchte.
Rz. 22
Der pflichtteilsberechtigte Verzichtende verliert beim Erbverzicht auch seinen Pflichtteilsanspruch, da eine Tatbestandsvoraussetzung des § 2303 BGB entfällt.
Sind neben dem Verzichtenden noch weitere Pflichtteilsberechtigte vorhanden, die nicht verzichten, erhöht sich deren Pflichtteilsquote.
Rz. 23
Dies geschieht bspw. wie folgt: Der im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratete Erblasser hat zwei Kinder. Nur eines erklärt einen Erbverzicht. Die Erbquote des anderen Kindes steigt dadurch auf ein Halb. Setzt der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung seine Ehefrau nun als Alleinerbin ein, ist die Pflichtteilsquote des Kindes, das nicht verzichtete, so groß wie vor dem Verzicht für beide Kinder zusammen: ein Viertel.
Rz. 24
In der Gestaltungspraxis ist daher der Erbverzicht fast immer ein Gestaltungsfehler. Nur in seltenen Fällen kann bei der Gestaltung ein Erbverzicht empfohlen werden, etwa wenn der geschäftsunfähige Erblasser kein Testament mehr errichten kann. Eventuell kann auch noch, wenn nur ein Pflichtteilsberechtigter existiert und abzusehen ist, dass kein neuer hinzutreten wird, oder alle Pflichtteilsberechtigten verzichten, die nicht bedacht werden sollen, ein Erbverzicht erwogen werden, da nicht alle Mandanten wirklich dem ausdrücklich zu erteilenden Rat folgen und eine beim reinen Pflichtteilsverzicht erst die gewünschte Wirkung herbeiführende letztwillige Verfügung errichten.
2. Pflichtteilsverzicht
Rz. 25
Beim Pflichtteilsverzicht verändern sich die Erbquoten nicht. Errichtet der Erblasser keine letztwillige Verfügung, erbt der Verzichtende. Enterbt der Erblasser den Verzichtenden, kann dieser auch keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen. Die Quoten der anderen Erben verändern sich nicht.
Es ergeben sich bspw. diese Folgen:
(1.) Der unverheiratete Erblasser, dessen Eltern vorverstorben sind, hat ein Kind. Dieses erklärt einen Pflichtteilsverzicht. Errichtet der Erblasser keine letztwillige Verfügung, erbt das Kind trotzdem allein. Geschwister des Erblassers u.a. kommen nicht zum Zuge.
(2.) Der im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratete Erblasser hat zwei Kinder. Nur eines erklärt einen Pflichtteilsverzicht. Die Erbquote des anderen Kindes ändert sich dadurch nicht. Setzt der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung seine Ehefrau nun als Alleinerbin ein, ist die Pflichtteilsquote des Kindes, das nicht verzichtete, lediglich ein Achtel.
Rz. 26
Pflichtteilsverzichte können Pflichtteilsansprüche sicher vermeiden und sind zudem flexibel und individuell anzupassen. In der Gestaltungspraxis wird im Ergebnis fast ausschließlich der Pflichtteilsverzicht in verschiedenen Ausformungen eine Rolle spielen. Der Verzicht wirkt nur zwischen den Vertragsparteien und verhindert nicht, dass dem Verzichtenden der Nachlass als Erbe eines Dritten, der den Erblasser vorher beerbt hat, zufällt.