I. Abs. 1
1. Bedingungseintritt
Rz. 9
Die für den Eintritt der Bedingung erforderliche Erbfolge kann entweder kraft Gesetzes oder aufgrund einer vom Erblasser errichteten Verfügung von Todes wegen erfolgen. Dem Erbverzicht selbst kommt nach der zutreffenden herrschenden Meinung keine unmittelbar das Erbrecht auf den begünstigten Dritten übertragende Wirkung zu.
2. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 10
Bleibt es im Übrigen bei der gesetzlichen Erbfolge (errichtet der Erblasser also keine letztwillige Verfügung), kann es zu unklaren Rechtsfolgen kommen: Es kann fraglich sein, an wen die Erbquote des Verzichtenden fällt. Sie kann entweder ungeschmälert dem Begünstigten zufallen, auch wenn diese höher ist, als seine Quote bei gesetzlicher Erbfolge unter Wegfall des Verzichtenden wäre. Bei drei Abkömmlingen würde der Begünstigte damit Erbe zu ⅔ und der Dritte zu ⅓. Oder es wird der Begünstigte nur soweit bessergestellt, wie es bei einem Wegfall des Verzichtenden der Fall wäre. Im Übrigen bliebe der Verzicht wirkungslos. Bei drei Abkömmlingen würde der Begünstigte damit Erbe zu ½, der Dritte zu ⅓ und der Verzichtende zu 1/6. Der zweiten Meinung ist beizutreten, da sie dem Verzicht nicht mehr Wirkung gibt, als er hat. Der Erbverzicht hat eine negative Folge (Wegfall), aber keine positive. Diese muss erst durch letztwillige Verfügung herbeigeführt werden.
3. Kein Bedingungseintritt
Rz. 11
Tritt die Bedingung nicht ein, ist der Verzicht unwirksam. Die Annahme des Verzichts zugunsten eines Dritten durch den Erblasser hat nicht die Wirkung einer bindenden vertraglichen Erbeinsetzung des Begünstigten. Allerdings kann in einem solchen Erbverzicht gem. § 311b Abs. 4 BGB zugleich eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung des künftigen Erbteils auf den Begünstigten (Vertrag zugunsten Dritter) liegen, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung errichtet.
4. Pflichtteilsanspruch bei Unwirksamkeit
Rz. 12
Setzt der Erblasser einen Dritten als Erben ein und hat der Verzichtende eine Abfindung erhalten, soll die Geltendmachung des Pflichtteils des Verzichtenden aufgrund der Unwirksamkeit des Erbverzichts rechtsmissbräuchlich sein können. Zutreffend wird aber sein, im Wege der Auslegung ein Ergebnis zu finden. Eine relativ hohe Abfindung kann dafür sprechen, dass der Erblasser in seiner Verfügung frei sein sollte. Sonst bleibt es bei der hier festgelegten Zweifelsregelung.
5. Teilweiser Nichteintritt der Bedingung
Rz. 13
Wird die Bedingung nur teilweise erfüllt, ist auch der Verzicht nach zutreffender herrschender Meinung nur teilweise wirksam. Der Verzichtende bleibt also zu dem Teil Erbe, zu dem die Bedingung nicht eingetreten ist.
II. Abs. 2
Rz. 14
Verzichtet etwa ein Abkömmling, steht dies im Zweifel unter der Bedingung der Begünstigung eines anderen Abkömmlings oder des Ehegatten. Es steht die – nicht unbedingt mehr zeitgemäße – Annahme dahinter, dass nach dem regelmäßigen Willen des Verzichtenden keine entfernten Verwandten oder der Staat als gesetzliche Erben profitieren sollten.
Rz. 15
Die Auslegungsregel des Abs. 2 lässt den Verzicht eines Abkömmlings im Zweifel nur zugunsten anderer Abkömmlinge bzw. des Ehegatten gelten. Abkömmlinge entsprechend dem Wortlaut der Norm und der Systematik des Erbverzichts sind nur die des Erblassers, nicht die des Verzichtenden.
Rz. 16
Es entspricht ebenfalls der Systematik des Erbverzichts, dass der relevante Zeitpunkt der des Erbfalls ist. Daher besteht bei mangelhafter Gestaltung die Gefahr, dass ein neuer Ehegatte des Erblassers begünstigt wird, der kein Elternteil des Verzichtenden ist. Allerdings könnte sich in diesem Fall durch Auslegung des Verzichts ergeben, dass diese Folge nicht gewünscht war und die Zweifelsregelung des Abs. 2 nicht anzuwenden ist.
Rz. 17
Bei mehreren in dieser Weise Begünstigten entfällt erst die Wirkung des Erbverzichts, wenn weder ein Erbe erster Ordnung noch der Ehegatte Erben werden. Eine teilweise Unwirksamkeit des Verzichts ist möglich, wenn sonst zum Teil andere als die in Abs. 2 genannten Personen erben würden.