I. Allgemein
Rz. 11
Der Zuwendungsverzicht bewirkt nicht die Aufhebung der betreffenden Verfügung von Todes wegen, sondern er verhindert nur den Anfall der Erbschaft. Ein gesetzliches Erbrecht bleibt bestehen. Zukünftige Zuwendungen werden nicht erfasst. Ein Teilverzicht lässt die Bindung des Erblassers an eine Verfügung von Todes wegen entfallen, soweit der Teilverzicht reicht.
II. Auslegung
1. Erbverzicht als Zuwendungsverzicht
Rz. 12
Ob die Erklärungen der Vertragspartner als Zuwendungsverzicht anzusehen sind oder nicht, ist ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln. Schwierigkeiten kann die Auslegung solcher Erklärungen bereiten, die sowohl einen Erbverzicht i.S.d. § 2346 BGB als auch einen Zuwendungsverzicht nach § 2352 BGB beinhalten können. Ein Zuwendungsverzicht kann nämlich mit einem Erbverzicht verbunden werden. Weil es sich bei der gesetzlichen und gewillkürten Erbfolge um zwei unterschiedliche Berufungsgründe handelt, enthält ein Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht nicht notwendig einen Zuwendungsverzicht. Allerdings soll z.B. die Erklärung "auf (sämtliche) Erb- und Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass für jetzt und in Zukunft zu verzichten" i.d.R. so auszulegen sein, dass der Verzicht den vollständigen Wegfall der künftigen Erbenstellung bedeutet mit der Folge, dass nicht nur auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht, sondern auch auf letztwillige Zuwendungen einer bei Abgabe der Erklärung bestehenden letztwilligen Verfügung verzichtet wird. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten. Bei einem Pflichtteilsverzichtsvertragsabschluss werden die Beteiligten regelmäßig darauf hingewiesen, dass zur Enterbung noch eine letztwillige Verfügung notwendig ist. Der Erblasser kann dabei auch beabsichtigen, eine vorhandene Verfügung bestehen zu lassen, und möchte mit dem Verzicht lediglich eine Absicherung erreichen. Ein Zuwendungsverzicht kann dann nicht gesehen werden. Haben sich die Ehepartner wechselseitig zu Erben und ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt, liegt es nahe, dass ein später geschlossener Erbverzicht mit einem Kind sich auch auf die Zuwendung erstreckt.
2. Anwendung des § 2050 BGB
Rz. 13
Str. ist, ob die Auslegungsregel des § 2050 Abs. 1 BGB auf den Zuwendungsverzicht Anwendung findet. Der Streit ist nur theoretischer Natur. Verzichtet der Zuwendungsempfänger zugunsten eines Dritten auf die Zuwendung, bedarf es dieser Auslegungsregel nicht, um davon auszugehen, dass der Verzicht unter der Bedingung steht, dass der Dritte Erbe wird. Zu dem Ergebnis kommt man auch aufgrund allgemeiner Auslegungsregeln.
III. Erstreckung auf Abkömmlinge: § 2349
1. Einleitung
Rz. 14
Eine wesentliche, wenn auch kaum beachtete Änderung zum 1.1.2010 war, dass in § 2352 nun auch auf § 2349 verwiesen wird (vgl. Rdn 1). Es ist also zwischen Erbfällen bis zum 31.12.2009 und ab dem 1.1.2010 zu unterscheiden.
2. Rechtslage für Erbfälle ab dem 1.1.2010
a) Grundsätzliche Wirkung
Rz. 15
Durch die Gesetzesänderung wurden einige Probleme gelöst, andere sind neu. Geklärt ist, dass sich ein Zuwendungsverzicht nun auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt. Die Gefahr, einen Stamm doppelt zu begünstigen, wird beseitigt. Allerdings gilt die Verweisung auch, wenn keine Abfindung gezahlt wurde. Die Rechtsfolge des § 2349 BGB kann durch eine ausdrückliche Anordnung vermieden werden.
b) Ausdrückliche Ersatzerbenbenennung
Rz. 16
Die Ersatzerben (Gleiches gilt für die Ersatzvermächtnisnehmer) können zu solchen entweder durch Auslegung (§§ 2069, 2190 BGB) oder durch ausdrückliche Benennung in der letztwilligen Verfügung werden. Diskutiert wird, ob die Wirkung des § 2349 BGB auch in jedem Fall eintreten soll, wenn eine ausdrückliche Ersatzerbenberufung vorliegt. Insoweit könnte der Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu erforschen sein.
Rz. 17
Mit Herzog ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht ausgelegt werden sollte, da der Verweis auf § 2349 BGB gerade Zweifel beseitigen wollte und der Erblasser in dem Zuwendungsverzichtsvertrag die Möglichkeit zur Klarstellung hat.
Rz. 18
In zwei Konstellationen sollten von dem Grundsatz aber Ausnahmen gemacht werden: Wenn sich die Ersatzerbenbenennung aus einem gemeinschaftlichen Testament oder einem Erbvertrag ergibt, würde deren Wegfall das Vertrauen des Erstverstorbenen in den Bestand der Anordnung enttäuschen. Auch der Wegfall eines Vorerben (Kind) könnte sich auf den Nacherben (Enkel) auswirken und damit eine Vermögensnachfolgeplanung zunichtemachen. Zumindest bei gemeinschaftlichen Testamenten sollte daher § 2349 BGB aus Gründen des Vertrauensschutzes nur angewandt werden, wenn eine ergänzende Auslegung des Testaments ergibt, dass der zuerst verstorbene Ehegatte mit der Rechtsfo...