1. Einleitung
Rz. 14
Eine wesentliche, wenn auch kaum beachtete Änderung zum 1.1.2010 war, dass in § 2352 nun auch auf § 2349 verwiesen wird (vgl. Rdn 1). Es ist also zwischen Erbfällen bis zum 31.12.2009 und ab dem 1.1.2010 zu unterscheiden.
2. Rechtslage für Erbfälle ab dem 1.1.2010
a) Grundsätzliche Wirkung
Rz. 15
Durch die Gesetzesänderung wurden einige Probleme gelöst, andere sind neu. Geklärt ist, dass sich ein Zuwendungsverzicht nun auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt. Die Gefahr, einen Stamm doppelt zu begünstigen, wird beseitigt. Allerdings gilt die Verweisung auch, wenn keine Abfindung gezahlt wurde. Die Rechtsfolge des § 2349 BGB kann durch eine ausdrückliche Anordnung vermieden werden.
b) Ausdrückliche Ersatzerbenbenennung
Rz. 16
Die Ersatzerben (Gleiches gilt für die Ersatzvermächtnisnehmer) können zu solchen entweder durch Auslegung (§§ 2069, 2190 BGB) oder durch ausdrückliche Benennung in der letztwilligen Verfügung werden. Diskutiert wird, ob die Wirkung des § 2349 BGB auch in jedem Fall eintreten soll, wenn eine ausdrückliche Ersatzerbenberufung vorliegt. Insoweit könnte der Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu erforschen sein.
Rz. 17
Mit Herzog ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht ausgelegt werden sollte, da der Verweis auf § 2349 BGB gerade Zweifel beseitigen wollte und der Erblasser in dem Zuwendungsverzichtsvertrag die Möglichkeit zur Klarstellung hat.
Rz. 18
In zwei Konstellationen sollten von dem Grundsatz aber Ausnahmen gemacht werden: Wenn sich die Ersatzerbenbenennung aus einem gemeinschaftlichen Testament oder einem Erbvertrag ergibt, würde deren Wegfall das Vertrauen des Erstverstorbenen in den Bestand der Anordnung enttäuschen. Auch der Wegfall eines Vorerben (Kind) könnte sich auf den Nacherben (Enkel) auswirken und damit eine Vermögensnachfolgeplanung zunichtemachen. Zumindest bei gemeinschaftlichen Testamenten sollte daher § 2349 BGB aus Gründen des Vertrauensschutzes nur angewandt werden, wenn eine ergänzende Auslegung des Testaments ergibt, dass der zuerst verstorbene Ehegatte mit der Rechtsfolge einverstanden gewesen wäre.
c) Verzichte nur von Abkömmlingen und Seitenverwandten
Rz. 19
Dass in § 2349 BGB ausschließlich auf Verzichte von Abkömmlingen und Seitenverwandten abgestellt wird, zeigt seine Konzeption für die gesetzliche Erbfolge. Für den Zuwendungsverzicht passt dies nicht, denn bei einer Zuwendung durch letztwillige Verfügung werden auch andere Personen bedacht, die dann wiederum verzichten könnten. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB kann aber auch bei diesen anzuwenden sein, bspw. bei Patchworkfamilien. Es sollten beim Zuwendungsverzicht daher in Ausweitung des Wortlauts des § 2349 BGB alle Ersatzerben erfasst sein.
3. Rechtslage für Erbfälle bis zum 31.12.2009
Rz. 20
Nach der h.M. erstreckte sich die Wirkung des Zuwendungsverzichts eines Abkömmlings oder eines Seitenverwandten des Erblassers nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden. Ebenso wenig sollte es möglich sein, den Verzicht durch ausdrückliche Vereinbarung auf die Abkömmlinge zu erstrecken. Daher konnte es sein, dass an die Stelle des Verzichtenden dessen Abkömmlinge aufgrund der Auslegungsregel des § 2069 BGB oder einer ausdrücklichen Berufung als Ersatzerben traten. Wurden ausdrücklich Ersatzerben bestimmt, musste durch Auslegung der letztwilligen Verfügung festgestellt werden, ob die Ersatzberufung auch für den Fall eines späteren Zuwendungsverzichts des Erbberechtigten gewollt gewesen ist.
Eine Auslegung eines Vertrages, der vor dem 1.1.2010 beurkundet wurde, in der Art und Weise, dass es zu einer Erstreckung auf Abkömmlinge kommt, ist nicht möglich.
Rz. 21
Eine Ersatzerbeneinsetzung konnte dann entfallen, wenn der Zuwendungsverzicht gegen eine vollständige Abfindung erfolgte; in diesem Fall wurde auch davon ausgegangen, dass – ohne ausdrückliche Bestimmung – eine Vermutung gegen eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB bestand. Insbesondere beim bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag war daher zu beachten: War der Verzichtende ein Abkömmling des Erblassers oder des (vorverstorbenen) Ehegatten, wurden gem. § 2069 BGB regelmäßig dessen Kinder (Ersatz-)Erben. Auch diese müssten in einem notariellen Vertrag auf die Zuwendung verzichtet haben, um die volle Testierfreiheit des Erblassers wiederherzustellen. Eine Mindermeinung wollte dieses Problem umgehen, indem sie die Wirkung des Zuwendungsverzichts gem. § 2349 BGB analog auf die Abkömmlinge erstreckte. Allein der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht berührte Zuwendungen nicht und führte daher nicht zu einem Wegfall des Bedachten. Der Verzicht stand, wenn der Verzichtende stirbt oder aus anderen Gründen we...