Rz. 6
Die Einziehung erfolgt von Amts wegen und kann ohne entsprechenden Antrag erfolgen, wobei in der Praxis häufig der Erbschein erst "auf Antrag" (eigentlich sollte man besser von einer "Anregung" durch die Beteiligten sprechen) eingezogen wird. Es ist also kein Antragsverfahren, sondern das Nachlassgericht kann von sich aus die Einziehung beschließen. Die Einziehung wird durch das Nachlassgericht angeordnet. Die Anordnung enthält die Aufforderung an den Betroffenen, den erteilten Erbschein im Original umgehend an das Nachlassgericht herauszugeben.
I. Feststellung der Fehlerhaftigkeit
Rz. 7
Das Nachlassgericht muss zunächst die Fehlerhaftigkeit des Erbscheins feststellen. Dazu ist es erforderlich, dass das Nachlassgericht eigene Ermittlungen nach § 26 FamFG anstellt und zu der vollen Überzeugung gelangen muss, dass der erteilte Erbschein unrichtig ist.
Rz. 8
Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins genügen für eine Einziehung nicht. Das Gericht muss in seiner Überzeugung hinsichtlich der Richtigkeit des Erbscheins erschüttert sein. Es hat die gesamte Sach- und Rechtslage abschließend zu würdigen, bevor es seine abschließende Entscheidung über die Einziehung oder deren Ablehnung trifft. Der Nachweis der Unrichtigkeit ergibt sich aus der Verteilung der Feststellungslast.
II. Zuständigkeit
Rz. 9
Ausschließlich zuständig für die Einziehung des Erbscheins ist dasjenige Nachlassgericht, welches den Erbschein erteilt hat. Dies gilt auch für den Fall, dass das erteilende Nachlassgericht örtlich bei der Erteilung des Erbscheins unzuständig war. Das Beschwerdegericht ist nicht zur Einziehung berechtigt, es kann lediglich das Nachlassgericht entsprechend anweisen. Eine Besonderheit ergibt sich für die Erbscheine, die durch die staatlichen Notariate der ehemaligen DDR erteilt wurden, für Vermögensgegenstände, die sich im Staatsgebiet der ehemaligen DDR befanden, und für einen Erblasser mit letztem Wohnsitz in der alten BRD. Für deren Einziehung ist seit dem 3.10.1990 das nach § 73 FGG a.F. (§ 343 FamFG) örtlich zuständige Nachlassgericht zuständig. Unrichtige Erbscheine, die durch die staatlichen Notariate der ehemaligen DDR erteilt wurden, und zwar für einen Erblasser mit letztem Wohnsitz in der ehemaligen DDR, sind ebenfalls durch die nach § 73 FGG a.F. (§ 343 FamFG) an Stelle der ehemaligen Notariate zuständigen Nachlassgerichte einzuziehen.
III. Einziehungsanordnung
Rz. 10
Hat das Nachlassgericht festgestellt, dass der Erbschein unrichtig ist, muss es dessen Einziehung anordnen nach § 2361 BGB. Die Einziehungsanordnung ist mit den Gründen nach § 38 Abs. 3 FamFG zu versehen. Die Bekanntgabe hat nach § 41 Abs. 1FamFG gegenüber den Beteiligten zu erfolgen. Gleichzeitig hat mit der Bekanntgabe auch die Aufforderung an die bisherigen Erbscheinserben zu ergehen, den nunmehr unrichtigen Erbschein an das Nachlassgericht herauszugeben bzw. mitzuteilen, wo sich der Erbschein befindet, falls dieser weitergegeben wurde, bspw. an ein Grundbuchamt oder eine Bank.
Rz. 11
Bewirkt ist die Einziehung erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Urschrift des Erbscheins und sämtliche Ausfertigungen beim Nachlassgericht abgeliefert wurden. Abschriften bleiben dabei unberücksichtigt, da sie im Rechtsverkehr nicht als erteilte Erbscheine Geltung erlangen. Kommt ein Erbscheinserbe der Aufforderung zur Rückgabe nicht nach, hat das Nachlassgericht die Möglichkeit, nach § 35 FamFG ein Zwangsgeld festzusetzen. Das Nachlassgericht hat dabei strengstens darauf zu achten, dass tatsächlich sämtliche herausgegebenen Ausfertigungen eines Erbscheins wieder in die Hände des Nachlassgerichts gelangen.