Rz. 355
Die Frage, ob und wie sich besondere gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, z.B. Entnahmebeschränkungen oder Vinkulierungsklauseln, auf die Bestimmung des gemeinen Werts (§ 9 BewG) von Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen auswirken, ist seit langem umstritten. Der BFH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Berücksichtigung derartiger Besonderheiten bei der Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9 BewG) ausscheidet. Diese Sichtweise liegt offenbar auch den Überlegungen des Gesetzgebers zugrunde. § 9 BewG blieb jedenfalls auch bei den jüngsten Reformen unangetastet.
Andererseits können bestimmte gesellschaftsvertragliche Besonderheiten (soweit sie auch tatsächlich umgesetzt werden) ein erhöhtes Verschonungsbedürfnis von Erwerben entsprechend belasteten Vermögens rechtfertigen, weil die langfristig bestehende gesellschaftsvertragliche Beschränkung dazu führt, dass der objektive gemeine Wert der erworbenen Gesellschaftsanteile aus subjektiver Sicht des Erwerbers nicht verfügbar ist. Vor diesem Hintergrund sieht § 13a Abs. 9 ErbStG einen Wertabschlag für Familienunternehmen (sog. Vorwegabschlag) vor, soweit deren Gesellschaftsvertrag bestimmte, im Gesetz definierte Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen enthält und diese Bestimmungen auch den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, also "gelebt werden".
Der Vorwegabschlag ist ausschließlich auf Gesellschaften zugeschnitten, für Einzelunternehmen kommt er von vornherein nicht in Betracht. Dasselbe gilt (wohl) auch für Aktiengesellschaften, weil das Aktiengesetz die gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen nicht zulässt. Dies erscheint unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten durchaus bedenklich. Dies gilt umso mehr, als er auch der Höhe nach keinen Beschränkungen unterliegt und sich im Prinzip wie ein zusätzlicher Freibetrag auswirkt, der weder einer Bedarfsprüfung noch den Behaltens- oder Lohnsummenanforderungen unterliegt.