Raymond Halaczinsky, Ulrich Gohlisch
Rz. 41
Die Entscheidung, welcher von mehreren Gesamtschuldnern aus demselben Rechtsgrund in Anspruch genommen werden soll, steht nicht in freiem Belieben, sondern im pflichtgemäßen Auswahlermessen der Behörde nach den allgemeinen Grundsätzen des § 5 AO. Der einzelne Abgabenschuldner kann daher nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung in Anspruch genommen werden. Das Ermessen ist unter Beachtung der Grundsätze verfassungskonformer Auslegung und der Verhältnismäßigkeit sowie der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung und des Charakters der Schenkungsteuer als einer Bereicherungssteuer vom Finanzamt auszuüben. Eine Ermessensentscheidung ist nach § 121 Abs. 1 AO zu begründen, soweit dieses zum Verständnis des Steuerbescheids erforderlich ist und die Begründung nicht nach § 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist. Fehlt die erforderliche Begründung und wird sie auch nicht in zulässiger Form nachgeholt, ist der ergangene Steuerbescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben. Die Inanspruchnahme des Gesamtschuldners, der nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien nicht verpflichtet ist, die Steuer zu tragen, braucht nur dann nicht begründet zu werden, wenn die Steuerfestsetzung gegen den anderen Gesamtschuldner aus Rechtsgründen, etwa wegen Festsetzungsverjährung, nicht mehr möglich ist. Dann entfällt nämlich bereits mangels einer Auswahlmöglichkeit eine Ausübung des Ermessens. Gleiches gilt, wenn die Inanspruchnahme aufgrund der wirtschaftlichen Situation desjenigen, der sich verpflichtet hat, die Steuer zu übernehmen, keinen Erfolg verspricht und dieses dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner bekannt war oder ohne weiteres erkennbar gewesen ist. Da das Finanzamt nach freiem Ermessen darüber entscheiden kann, ob es einen einheitlichen Steuerbescheid erlässt oder nicht, wird der steuerpflichtige Beschenkte nach Ansicht von Fumi aus seinem Einzelbescheid kaum die Gründe für die Nichtinanspruchnahme anderer Gesamtschuldner erkennen können. Eine vorrangige Inanspruchnahme des Schenkers dürfte auch dann ermessensgerecht sein, wenn der Beschenkte vor Entrichtung der Steuer ins Ausland verzogen ist. Die Frage, ob dies durch die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsteuerfreiheit i.S.d. Art. 56 und 58 EGV auch für in anderen EU-Staaten lebende Beschenkte gilt, ist m.E. zu bejahen.
Eine Ermessensentscheidung kann im gerichtlichen Verfahren nach § 102 S. 1 FGO lediglich daraufhin überprüft werden, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.