Rz. 19

Bei einer Schenkung wird die in § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO enthaltene Dreijahresgrenze durch § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden – aber nicht erfüllten – Anzeigepflicht, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer später, und zwar nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 AO), wobei die jeweils zuerst eingetretene Alternative maßgeblich ist.[44] Ist der Erwerber/Schenker nicht anzeigepflichtig, d.h. etwa bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG, ist der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO mit der Entstehung der Erbschaft-/Schenkungsteuer beginnenden Frist gehemmt.[45]

 

Rz. 20

Solange der Schenker noch lebt und das Finanzamt keine Kenntnis von dem Erwerb hat, kann die Festsetzungsfrist nicht beginnen. Die Anlaufhemmung endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Schenker stirbt. Erlangt das Finanzamt vorher Kenntnis, endet die Anlaufhemmung auch früher.[46] § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO verlangt positive Kenntnis des Finanzamtes von der vollzogenen Schenkung. Diese Kenntnis ist gegeben, wenn das für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständige Finanzamt nicht durch eine Anzeige gem. § 30 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten; Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat, z.B. durch Eingang notariell beurkundeter Schenkungen, Mitteilungen anlässlich einer Außenprüfung, freiwillige Abgabe einer Steuererklärung.[47] Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das Finanzamt aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände.[48] Ob das Finanzamt durch das Unterlassen von Ermittlungen gegen seine gem. § 88 Abs. 1 AO bestehende Verpflichtung verstoßen hat, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Für die Kenntniserlangung ist erforderlich, dass der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des örtlich und sachlich zuständigen Finanzamts entweder aufgrund einer Anzeige oder auf sonstige Weise Informationen in dem notwendigen Umfang, d.h. zumindest Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten sowie der Rechtsgrund für seinen Erwerb, mitgeteilt werden. Die Kenntnis anderer Finanzämter von der vollzogenen Schenkung reicht keinesfalls und die des zuständigen Finanzamts als solchem nur dann, wenn ihm die Schenkung ausdrücklich zur Prüfung der Schenkungsteuerpflicht bekannt gegeben wird, die Information aber aufgrund organisatorischer Mängel oder eines Fehlverhaltens innerhalb der Behörde die berufene Dienststelle nicht unverzüglich erreicht.[49] Der Fristbeginn wird nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO durch den Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht vorverlegt, sondern allenfalls auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Bei Schenkungen an Körperschaften, etwa Stiftungen, endet die Anlaufhemmung in dem Jahr, in dem das zuständige Finanzamt entsprechende Kenntnis erlangt.

 

Rz. 21

Erfährt das Finanzamt erst mehr als drei Jahre nach Steuerentstehung von einer vollzogenen Schenkung, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung. Erfährt das Finanzamt innerhalb der Dreijahresfrist i.S.d. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO von einer vollzogenen Schenkung, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem die entsprechende Steuererklärung eingereicht wird, spätestens aber mit Ablauf des Kalenderjahres, das dem Jahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Mit der einmal erlangten Kenntnis bzw. mit Ablauf des Todesjahrs des Schenkers, ist die Wirkung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO verbraucht und eine weitere Verlängerung der Anlaufhemmung, z.B. wegen späterer Abgabe einer Steuererklärung, nicht mehr möglich.[50] Die Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO wird durch die Kenntnis einer unzuständigen Finanzbehörde von der Schenkung nicht beendet.[51]

[46] Fallbeispiele dazu Gohlisch, ZErb 2011, 133.
[47] Vgl. BFH v. 5.2.2003 – II R 22/01, BStBl II 2003, 502; FG München v. 9.4.2014 – 4 K 1852/1, EFG 2014, 1270, wenn das FA durch die Mitteilung des Notars sowie die Schenkungsteuererklärung lediglich über die Schenkung des Kommanditanteils, nicht jedoch hinsichtlich der umgehenden Anteilsveräußerung informiert wird; FG Nürnberg v. 20.9.2007 – IV 277/2004, EFG 2008, 395.

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