Rz. 333
Natürlich können auch Fälle auftreten, in denen neben einer begünstigungsschädlichen Verfügung auch eine Unterschreitung der Mindestlohnsumme eintritt. Dann ist der Umfang des Wegfalls des Verschonungsabschlags infolge des Verstoßes gegen die Behaltensregelungen bzw. infolge des Unterschreitens der Mindestlohnsumme jeweils getrennt voneinander zu berechnen. Bei der Ermittlung der Nachsteuer ist nach Verwaltungsauffassung der niedrigste in Betracht kommende Verschonungsabschlag anzusetzen. Entscheidend ist danach also jeweils der begünstigungsschädliche Sachverhalt, der den höheren Wegfall des Verschonungsabschlags nach sich zieht. Betrifft die schädliche Verfügung i.S.v. § 13a Abs. 6 ErbStG nur einen Teil des begünstigt erworbenen Vermögens, ist auch der Wegfall des Verschonungsabschlags auf den dieser Verfügung unterliegenden Teil beschränkt. Dies gilt auch für die Betrachtung des Lohnsummenkriteriums.
Rz. 334
Beispiel
Auf B als Alleinerben ist ein Gewerbebetrieb (Steuerwert 4.000.000 EUR) übergegangen. Zum Betrieb gehört als wesentliche Betriebsgrundlage ein Betriebsgrundstück (Grundbesitzwert 1.500.000 EUR). Der Betrieb verfügt über Verwaltungsvermögen von weniger als 10 % des gemeinen Werts des Betriebes. Der Betrieb hat mehr als 20 Beschäftigte. Ein Antrag nach § 13a Abs. 10 ErbStG wurde nicht gestellt.
Betriebsvermögen (begünstigt) |
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4.000.000 EUR |
Verschonungsabschlag (85 %) |
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– |
3.400.000 EUR |
Verbleiben |
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600.000 EUR |
Abzugsbetrag |
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– |
0 EUR |
Steuerpflichtiges Betriebsvermögen |
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600.000 EUR |
Abzugsbetrag |
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150.000 EUR |
Verbleibender Wert (15 %) |
600.000 EUR |
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Abzugsbetrag |
– 150.000 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
450.000 EUR |
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davon 50 % |
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– |
225.000 EUR |
Verbleibender Abzugsbetrag |
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0 EUR |
Im dritten Jahr veräußert B das Betriebsgrundstück und entnimmt den Veräußerungserlös von1.800.000 EUR. Die tatsächliche Lohnsumme nach Ablauf von fünf Jahren beträgt 300 % der Ausgangslohnsumme.
Betriebsvermögen |
4.000.000 EUR |
1. Kürzung des Verschonungsabschlags wegen Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage
Betriebsvermögen (begünstigt) |
2.500.000 EUR |
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Verschonungsabschlag (85 %) |
– 2.125.000 EUR |
2.125.000 EUR |
Verbleiben |
375.000 EUR |
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Betriebsvermögen (nicht begünstigt) |
1.500.000 EUR |
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Verschonungsabschlag (85 %) |
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= 1.275.000 EUR zeitanteilig zu gewähren 2/5 = |
510.000 EUR |
+ 510.000 EUR |
verbleibender Verschonungsabschlag |
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2.635.000 EUR |
2. Kürzung des Verschonungsabschlags wegen Nichterreichens der Lohnsumme
Verschonungsabschlag (85 %) |
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3.400.000 EUR |
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Mindestlohnsumme 400 % |
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Verminderung des Verschonungsabschlags |
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Tatsächliche Lohnsumme 300 % unterschreitet Mindestlohnsumme um 80 %, das sind 25,00 % Kürzung des Verschonungsabschlags |
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25,00 % von 3.400.000 EUR = |
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– 850.000 EUR |
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Verbleibender Verschonungsabschlag |
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2.550.000 EUR |
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Abzugsfähig niedrigerer Verschonungsabschlag von 1. oder 2. |
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– 2.550.000 EUR |
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Verbleiben |
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1.450.000 EUR |
Abzugsbetrag |
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– 37.500 EUR |
Steuerpflichtiges Betriebsvermögen |
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1.412.500 EUR |
Abzugsbetrag |
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150.000 EUR |
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Verbleibender Wert begünstigtes Vermögen |
375.000 EUR |
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Abzugsbetrag |
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– 150.000 EUR |
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Unterschiedsbetrag |
225.000 EUR |
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davon 50 % |
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– 112.500 EUR |
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Verbleibender Abzugsbetrag |
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37.500 EUR |
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Steuerpflichtiges Betriebsvermögen nach schädlicher Verfügung |
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1.412.500 EUR |
Steuerpflichtiges Betriebsvermögen bisher |
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– 600.000 EUR |
Die Bemessungsgrundlage erhöht sich mithin um |
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812.500 EUR |
Rz. 335
Die Verwaltungsauffassung führt in vielen Fällen zu für den Steuerpflichtigen günstigen Ergebnissen, insb. dann, wenn eine schädliche Verfügung i.S.v. § 13a Abs. 6 ErbStG an und für sich keinen Einfluss auf die Mindestlohnsumme hat. Fraglich ist aber, wie Fälle zu behandeln sind, in denen sich eine Veräußerung, z.B. eines Teilbetriebs oder einer ganzen betrieblichen Einheit, unmittelbar auf die durch den Erwerber zu erreichende Mindestlohnsumme auswirkt. Insoweit sollte Folgendes gelten:
Rz. 336
Die vollständige Veräußerung des begünstigt erworbenen Vermögens führt – entgegen der Verwaltungsauffassung, die einen sog. Doppelverstoß annimmt – auch zu einem Wegfall der Lohnsummenbetrachtung. Zwar bezieht sich die Prüfung der Mindestlohnsumme nach dem Wortlaut von § 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG auf den jeweiligen Betrieb (als solchen), nicht auf den Erwerber oder den Betrieb in der Hand des begünstigten Erwerbers, so dass man daraus den Schluss ziehen könnte, dass eine Veräußerung des begünstigten Vermögens keinen Einfluss auf den Lauf der Lohnsummenfrist hätte. Diese Überlegung hält aber einer am Wortlaut des Gesetzes orientierten Auslegung nicht Stand. Denn gemäß § 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG fallen – bei Verstößen gegen die Behaltensregelungen – Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag (also sämtliche Privilegierungen) hinsichtlich des den Gegenstand des Verstoßes bildenden Vermögens "mit Wirkung für die Vergangenheit" weg. Hieraus folgt, dass – soweit dieser Wegfall reicht – gar kein begünstigtes Vermögen, das einer ...