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Die Zugehörigkeit zur Steuerklasse II ergibt sich aus der Aufzählung im Gesetz und dem Zivilrecht. Erwerbe unter Geschwistern werden m.E. trotz der verwandtschaftlichen Nähe relativ stark besteuert. Hierzu hat das FG Köln, bestätigt durch den BFH, entschieden, dass Geschwister, die ihr Leben lang in einer Haushalts-, Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft "zusammengelebt" haben, nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen erbschaftsteuerrechtlich wie Ehegatten oder eingetragene Lebenspartnerschaften behandelt werden müssen. Die Steuerklasse ist bei Geschwistern und Eltern identisch (§ 15 Abs. 1 "Steuerklasse II" Nr. 1, 2 ErbStG). Verzichtet ein Bruder oder eine Schwester auf seine/ihre künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung des Zahlenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Da die Abfindung in einem solchen Fall aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben (Geschwister) geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem und nicht eine freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindung vor. Die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, richtet sich nach der zwischen den Erben maßgebenden Steuerklasse, also bei Geschwistern nach Steuerklasse II. Der Freibetrag nach § 16 ErbStG richtet sich ebenfalls nach dem Verhältnis zwischen dem Verzichtenden und dem anderen gesetzlichen Erben.
Unter Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern fallen nur deren Kinder, auch deren Stiefkinder (H E 15.1 ErbStH 2019), nicht auch die Enkel der Geschwister. Abkömmlinge von Geschwistern sind die Nichten und Neffen. Zuwendungen von Nichten und Neffen an Onkel/Tante fallen unter die Steuerklasse III.
Stiefgeschwister sind im Erbschaftsteuergesetz nicht besonders erwähnt, gleichwohl müsste bei echten (halbbürtigen) Stiefgeschwistern eine Gleichstellung mit Geschwistern an, d.h. Steuerklasse II (Nr. 2) angenommen werden. Nach restriktiver Auslegung würden Stiefgeschwister noch nicht einmal unter den Begriff "Geschwister" i.S.v. § 15 ErbStG fallen. Erwerbe unter Lebenden (Schenkungen) von Eltern und Lebenspartnern werden nach Steuerklasse II besteuert. Stiefeltern werden generell der Steuerklasse II zugeordnet. Die Stiefeltern bzw. der Stiefelternteil stehen daher bei Erwerben von Todes wegen von Kindern den Eltern leiblicher Kinder nicht gleich, weil in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 ErbStG nur von Eltern gesprochen wird und die Stiefeltern nur in § 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr. 4 ErbStG gesondert erwähnt werden. Die Erwerbe sind der Steuerklasse II zuzuordnen. So fallen auch Rückschenkungen von zuvor von den Stiefeltern erhaltenen Geschenken des Stiefkindes an den Stiefelternteil unter Steuerklasse II. Stiefschwiegerkinder und Stiefschwiegereltern werden den Schwiegerkindern und Schwiegereltern gleichgestellt (Steuerklasse II Nr. 4 und 5), deshalb zählen auch Ehegatten von Stiefkindern zu den Schwiegerkindern nach II Nr. 5 (H E 15.1 ErbStH 2019). Ist jemand im Sinne des ErbStG zivilrechtlich Kind eines Elternteils und Stiefkind des anderen Elternteils und damit Kind i.S.d. § 15 Abs. 1 ErbStG beider genannter Elternteile, ist es bei dieser rechtlichen Vorgabe folgerichtig, dass die beiden genannten Elternteile Schwiegereltern des Ehegatten des Kindes sind. Daraus folgt für den BFH, dass Schwiegerkinder im Sinne des ErbStG (Steuerklasse II) auch die Stiefschwiegerkinder sind.
Im Allgemeinen gilt, dass die Eigenschaft als eine in Steuerklasse II aufgezählte Person auch dann fortbesteht, wenn das die Verwandtschaft oder die Schwägerschaft begründende Ereignis wegfällt.