a) Steuerentstehung mit dem Erbfall
Rz. 12
Die Forderung des Vermächtnisnehmers entsteht – unbeschadet des Rechtes zur Ausschlagung – mit dem Erbfall (§ 2176 BGB). Entsprechend entsteht die Erbschaftsteuer des Vermächtnisnehmers am Todestag des Erblassers. Gleichzeitig entsteht beim Erben die Steuer durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB), allerdings mindert der Wert des Vermächtnisses den steuerpflichtigen Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Für den Umfang und den Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbs durch Vermächtnis ist grds. die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers maßgebend. Wird das Vermächtnis letztendlich nicht erfüllt, z.B. wegen Vermögenslosigkeit des Erben, könnte ein (Teil-)Erlass aus Billigkeitsgründen beantragt werden (insb. wenn die Erbschaftsteuer für das Vermächtnis nicht aus eigenem Vermögen gezahlt werden kann). Von dem Erwerb "durch Vermächtnis" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist der Erwerb "aufgrund Vermächtnisses", d.h. das, was der Vermächtnisnehmer zu dessen Erfüllung letztlich erhält, zu unterscheiden. Nimmt der Vermächtnisnehmer eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt an, führt dies zu einem Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses (§ 364 Abs. 1 BGB). Der ursprüngliche – im Zeitpunkt der Entstehung des Erbschaftsteueranspruchs gegebene und damit maßgebliche – Inhalt des durch das Vermächtnis begründeten Schuldverhältnisses wird davon jedoch nicht berührt. Die nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer getroffenen Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen Steueranspruch daher weder aufheben noch verändern. Etwas anderes gilt nur, wenn objektiv zweifelhaft ist, was Gegenstand eines Vermächtnisses ist. Hierüber können sich die Beteiligten – z.B. durch einen Vergleich – verständigen. Ein solcher ernstgemeinter Vergleich hat seinen Rechtsgrund im Erbrecht und ist daher auch bei der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen.
Ein formunwirksames Vermächtnis ist erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennen, wenn feststeht, dass der Beschwerte die Rechtshandlungen, die sich als Erfüllung dieses Vermächtnisses darstellen, mit dem Willen vorgenommen hat, dem (formunwirksam) geäußerten letzten Willen des Erblassers zu entsprechen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Tatfrage. Die nach § 41 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG festzusetzende Steuer für den vermächtnisweisen Erwerb eines formunwirksam Bedachten entsteht entgegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG nicht – auch nicht rückwirkend – mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit der Erfüllung des formunwirksam geäußerten letzten Erblasserwillens. Die mit der Erfüllung entstehende Vermächtnisverbindlichkeit kann der betroffene Erbe im Wege der Korrektur seines Erbschaftsteuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO nachträglich als Verbindlichkeit absetzen.
Rz. 13
Ein Vermächtnisgeber kann sowohl das Entstehen des Vermächtnisses als auch die Fälligkeit des Vermächtnisses auf einen späteren Zeitpunkt hinausschieben. Ist die Fälligkeit hinausgeschoben, handelt es sich um ein sog. betagtes Vermächtnis. Ist das Vermächtnis
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unter einer aufschiebenden Bedingung oder |
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unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet |
und tritt die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, erfolgt der Anfall des Vermächtnisses mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins (§ 2177 BGB). Aus diesem Grunde kann die Steuer hierfür nicht schon mit dem Tode des Erblassers, sondern erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung, der Betagung oder Befristung entstehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG) nach dem Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls. Hat der Erblasser z.B. letztwillig verfügt, dass ein Geldvermächtnis aus dem Verkaufserlös eines im Nachlass befindlichen Grundstücks zu zahlen ist, ohne für den Verkauf des Grundstücks eine Frist zu bestimmen, ist ein betagter – aufschiebend bedingter – Anspruch des Vermächtnisnehmers gegeben. Die Erbschaftsteuer für diesen Erwerb von Todes wegen entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG – frühestens – mit dem Verkauf des Grundstücks. Entsprechend kann die Vermächtnisverpflichtung erst mit Eintritt der Bedingung abgezogen werden. Wird jemandem durch Vermächtnis ein unmittelbarer Anspruch auf Übereignung des Grundstücks eingeräumt (Kaufrechtvermächtnis), ist Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs das Vermächtnis. Der verwirklichte Grundstückserwerb erfolgt aufgrund des Vermächtnisses und damit von Todes wegen. Die Erbschaftsteuer entsteht mit Ausübung der Kaufoption.
Soll aber das Vermächtnis sofort entstehen, hat der Erblasser etwa die Fälligkeit des Anspruchs hinausgeschoben, ist der Anspruch auf den Todeszeitpunkt mit dem abgezinsten Wert zu versteuern, entsprechend mit diesem Wert eine Nachlassverbindlichkeit. Ein Vermächtnisanspruch, der mit Vollendung des 21. Lebensjahres des Vermächtnisnehmers fällig wird (be...