a) Aufschiebende Bedingung
Rz. 10
Die Bewertung des bedingten oder befristeten Erwerbs von Wirtschaftsgütern bzw. Verbindlichkeiten (Lasten) ist in §§ 4–8 BewG geregelt. Ob eine Bedingung oder Befristung überhaupt vorliegt, richtet sich allein nach der zivilrechtlichen Sachverhaltsbeurteilung. Eine aufschiebende Bedingung liegt gem. § 158 Abs. 1 BGB vor, wenn ein Rechtsgeschäft vom Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht wird. Bei der Bedingung muss es sich um ein zukünftiges ungewisses Ereignis handeln. Bei einer auflösenden Bedingung endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts (§ 158 Abs. 2 BGB).
Gegenstand der Bedingung kann jedes zukünftige Ereignis sein, insb. auch Handlungen eines Dritten oder der Parteien selbst (Potestativbedingung). Vor diesem Hintergrund kommt als Bedingung beispielsweise auch die Ausübung eines Options- oder Rücktrittsrechts in Betracht, ebenso die Gewährung von Tantiemen, die im freien Ermessen des Arbeitgebers bzw. – im Falle von Gesellschaftergeschäftsführern – der Gesellschafter steht. Potestativbedingungen müssen aber, um bewertungsrechtliche Relevanz zu haben, entweder rechtsgeschäftlich oder durch Gesetz festgelegt sein; sie dürfen nicht ausschließlich im freien Belieben des Erwerbers stehen. Die Notwendigkeit von Verfahrenshandlungen, beispielsweise der Stellung eines Erstattungsantrags, kommt als aufschiebende Bedingung i.S.v. § 4 BewG nicht in Betracht.
Rz. 11
Der in § 4 BewG geregelte Rechtsgedanke findet seinen Niederschlag auch in – ihm als leges speciales vorgehenden – § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 ErbStG. Denen zu Folge entsteht die Steuer für aufschiebend bedingte Erwerbe von Todes wegen erst mit dem Bedingungseintritt, bei Schenkungen erst mit der Ausführung der Zuwendung (also nicht bereits mit dem Abschluss eines aufschiebend bedingten Schenkungsvertrages).
Rz. 12
Gemäß § 4 BewG wird der am Stichtag (noch) aufschiebend bedingte Erwerb eines Wirtschaftsguts vorläufig nicht berücksichtigt; maßgeblich ist allein die am Stichtag tatsächlich bestehende Eigentumszurechnung. Die Möglichkeit eines späteren Bedingungseintritts bleibt zunächst unberücksichtigt. Maßgeblich ist aber insoweit nicht unbedingt das zivilrechtliche Eigentum, ggf. muss auf das wirtschaftliche Eigentum (insb. nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) abgestellt werden. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn durch den aufschiebend bedingten Anspruch ein Anwartschaftsrecht begründet wird. Auch in diesem Fall kommt es erst mit dem Erstarken der Anwartschaft zum Vollrecht zum Bedingungseintritt und damit auch zur Besteuerung. Sonderregelungen bestehen hingegen für den Übergang noch nicht fälliger Lebensversicherungen; vgl. insoweit die Kommentierung zu § 12 Abs. 4 BewG (siehe § 12 BewG Rdn 26 ff.).
Rz. 13
Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus wenden Finanzverwaltung und Rechtsprechung dieselben Grundsätze auch dann an, wenn eine Zuwendung zwar unbedingt erfolgt, ihr Gegenstand aber in einem aufschiebend bedingten Anspruch besteht. Dies gilt namentlich auch für die Fälle der Übertragung einer Forderung, die bereits Gegenstand eines (teilweisen) Verzichts gegen Besserungsschein war. Hier wird angenommen, dass erst bei Eintritt des Besserungsfalls (Bedingungseintritt) die Schenkung der (dann wieder vollwertigen) Forderung bewirkt sei.
Rz. 14
Tritt die aufschiebende Bedingung ein, ist die bisherige Besteuerung zu korrigieren. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass der Bedingungseintritt – weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich – eine dingliche Rückwirkung entfaltet. Die Änderung des Umfangs des steuerpflichtigen Erwerbs tritt daher regelmäßig erst mit dem Stichtag des Bedingungseintritts ein. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch dann, wenn Gegenstand der Bedingung die Erteilung einer behördlichen Genehmigung (z.B. des Familien- oder Betreuungsgerichts) ist, da diese nicht § 4 BewG unterfällt und regelmäßig steuerliche Rückwirkung entfaltet. Soweit aber die Parteien die Wirksamkeit des zwischen ihnen geschlossenen Rechtsgeschäfts von der Erteilung einer – wie auch immer gearteten – behördlichen Genehmigung abhängig machen, fällt dies unter § 4 BewG; die Rückwirkung der Genehmigung als solcher spielt dann keine Rolle.