Rz. 44

Gem. § 11 Abs. 2 S. 2 letzter Hs. BewG ist nicht etwa, wie man vermuten könnte, ein objektiv völlig unparteiisch ermittelter Unternehmenswert das Ziel der Bewertung, sondern der Wert, der sich unter Anwendung derjenigen Methode ergibt, die auch ein gedachter Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Diese Regelung, die unzweifelhaft zugunsten des Steuerpflichtigen wirken soll,[144] erscheint auf den ersten Blick als Abweichung von den Grundsätzen des § 9 Abs. 2 BewG. Dort ist der gemeine Wert als der Preis definiert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dieser wird bekanntlich nicht allein aus der Perspektive des Erwerbers bestimmt, sondern stellt den Einigungswert auf der Grundlage der Preisverhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer dar.

 

Rz. 45

Dem Wortlaut der Vorschrift nach soll die Erwerberperspektive lediglich bei der Entscheidung über die Auswahl der anzuwendenden Bewertungsmethode eine Rolle spielen. Auf diese Weise sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers Schätzungsunschärfen zu Lasten des Steuerpflichtigen vermieden werden; denn im Unterschied zum Verkäufer sei der Käufer regelmäßig bemüht, den Preis möglichst niedrig zu halten.[145] Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass auch innerhalb der Anwendung der jeweiligen Bewertungsmethoden willkürlich für den gedachten Erwerber günstigere Prämissen zugrunde gelegt werden könnten, beispielsweise ein höherer Kapitalisierungszinssatz oder ein niedrigerer Multiple. Vielmehr ist davon auszugehen, dass innerhalb der jeweiligen Bewertungsmethode ein objektivierter Unternehmenswert zu ermitteln ist. § 11 Abs. 2 S. 2 letzter Hs. BewG gibt lediglich vor, dass das Verfahren anzuwenden ist, das "zutreffend angewendet" den Interessen eines gedachten Erwerbers am besten gerecht wird, also zum niedrigsten denkbaren Unternehmenswert führt. Auf diese Weise wird gleichzeitig sichergestellt, dass weder willkürlich eine andere, zu höheren Werten führende, Bewertungsmethode vorgegeben noch ein Mittelwert aus verschiedenen Bewertungsmethoden der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann.[146] Nach dieser Auslegung besteht auch kein Widerspruch zu § 9 Abs. 2 BewG, soweit unter Anwendung der für den gedachten Erwerber günstigsten Bewertungsmethode ein objektivierter Unternehmenswert[147] ermittelt wird. Denn dieser beantwortet die Frage, bis zu welchem Preis eine Investition (gerade) noch wirtschaftlich vertretbar ist. Ergebnis ist also der Grenzpreis des Erwerbers; ein höherer Erlös ist auch aus der Sicht eines gedachten Verkäufers nicht ohne weiteres erwartbar.

[144] Das ist allerdings nicht zwingend, da es im Hinblick auf § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (90 %-Grenze) erstrebenswert sein kann, das vorhandene Verwaltungsvermögen zu einem tendenziell höheren Unternehmenswert in Relation zu setzen; vgl. auch zum alten Recht (Verwaltungsvermögensquote nach § 13b Abs. 2 ErbStG a.F.) Mannek, ZEV 2012, 6, 15.
[145] BT-Drucks 16/7918, Begründung, S. 65 zu Nr. 2.
[146] Anders aber anscheinend Hübner/Hübner, S. 483 ff.
[147] Und nicht etwa ein Argumentationswert, vgl. IDW S 1 Tz. 12, FN-IDW 2008, 271, 274.

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