Rz. 4

Die Festsetzungsverjährung beträgt grundsätzlich vier Jahre und beginnt nach Ablauf des Jahres, in dem sie entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO, § 9 ErbStG). War der Beteiligte zur Abgabe einer Anzeige nach § 30 ErbStG oder einer Erklärung nach § 31 ErbStG verpflichtet, beginnt die Festsetzung erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Anzeige oder die Erklärung abgegeben wurde, spätestens mit Ablauf des dritten, dem Jahr der Steuerentstehung nachfolgenden Jahres zu laufen an (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).

 

Beispiel

A erbt am 15.2.2000. A zeigt den Erwerb am 15.9.2000 bei der zuständigen Erbschaftsteuerstelle an. Da A zur Anzeige des Erbfalls verpflichtet ist, richtet sich der Beginn der Verjährungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO. Sie beginnt damit mit Ablauf des Jahres, in dem die Anzeige eingereicht wurde, also am 1.1.2001, und endet damit am 31.12.2004. Irrelevant ist, ob A zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert wurde und wann er diese abgegeben hat.

 

Rz. 5

Die Anzeigen nach §§ 33, 34 ErbStG führen nicht dazu, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, da sich der Steuerpflichtige das Verhalten von Dritten, Gerichten und Behörden nicht zurechnen lassen muss.[7] Geht damit eine Anzeige nach § 34 ErbStG ein und ist der Beteiligte nach § 30 Abs. 3 ErbStG befreit, hat der Beteiligte es nicht in der Hand, die Festsetzungsfrist anlaufen zu lassen, solange die Erbschaftsteuerstelle durch die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung ihm nicht eine Erklärungspflicht auferlegt hat.

 

Beispiel

A erbt am 1.10.1989 von B. Das Testament wurde am 10.1.1990 durch das Nachlassgericht eröffnet. Das Nachlassgericht teilte am 20.2.1990 die Eröffnung des Testaments und die Erteilung des Erbscheins der Erbschaftsteuerstelle mit. Am 10.9.1990 forderte die Erbschaftsteuerstelle A zur Abgabe einer Erklärung auf. A gab die Erklärung am 10.3.1991 ab. Mit Bescheid vom 20.5.1995 setzte die Erbschaftsteuerstelle die Steuer fest. Die Anzeige des Nachlassgerichts setzte die Verjährungsfrist noch nicht in Gang.[8] Nach Abgabe der Erklärung begann die Frist am 1.1.1992 und endete am 31.12.1995. Der Erlass des Bescheides war damit noch möglich.[9]

 

Rz. 6

In jüngerer Zeit hat die Rechtsprechung diese klare Position jedoch dahingehend aufgeweicht, dass Anzeigen nach §§ 33, 34 ErbStG jedenfalls dann die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 AO beenden sollen, wenn die Anzeigen ein vollständiges Bild vom Erbanfall abgeben, so dass die Bearbeitungsfrist der Erbschaftsteuerstelle nicht unzulässig verkürzt würde.[10] Der aus dem GrEStG entnommene Gedanke, dass die Anzeige des Notars alle für die Besteuerung maßgebenden Besteuerungsgrundlagen erhalten wird, kann nicht ohne weiteres auf das Erbschaftsteuerrecht übertragen werden, da nicht nur ein, sondern eine Vielzahl einzelner Vermögensgegenstände mit einer Reihe von Bewertungsfaktoren bekannt sein müssen, damit die Besteuerung erfolgen kann. Allein der Gedanke, dass hinreichend aussagekräftige Anzeigen nach §§ 33, 34 ErbStG die Anzeige des Erwerbers nach § 30 ErbStG entbehrlich machen wird, die wiederum die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 AO beendet, vermag diesem Ansatz Berechtigung verleihen. Allerdings ist er schon mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut des § 170 Abs. 2 AO, nach dem eine Steuererklärung abzugeben ist, als verfehlt anzusehen.

 

Rz. 7

Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung hat damit die Wirkung, dass durch die Entstehung der Erklärungspflicht der Fristenanlauf gehemmt wird. Diese Wirkung tritt nur beim Beteiligten ein, der zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert worden ist. Sind mehrere Beteiligte zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet (z.B. Schenker und Beschenkter), wirkt die Aufforderung nur demjenigen gegenüber, an den die Aufforderung gerichtet wurde.

 

Beispiel

A schenkt B am 10.2.1997 zwei Grundstücke. Der beurkundende Notar zeigte die Schenkung am 20.2.1997 bei der Erbschaftsteuerstelle an. Auf Anforderung gibt B die Erklärung am 20.9.1998 ab. Die Steuer wird mit Bescheid vom 20.11.2001 festgesetzt. Am 20.1.2002 stellt sich heraus, dass B die Steuer nicht bezahlen kann, da er insolvent ist. Am 20.2.2002 fordert die Erbschaftsteuerstelle den A mit identischem Bescheid zur Entrichtung der Steuer auf. Die Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres, in dem Anzeige erstattet wurde, mithin am 1.1.1998. Ende der Frist ist damit der 31.12.2001. Die Festsetzungsfrist für A beginnt nach § 170 Abs. 1 AO am 1.1.1998 und endet ebenfalls am 31.12.2001. Für ein Aufschieben der Frist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO ist kein Raum, da A mangels Aufforderung keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gehabt hat.[11]

[7] Demme, ZEV 2008, 222, 223.
[8] Anders die Vorinstanz: FG Münster v. 25.10.2001 – 3 K 8589/89, DStRE 2003, 1109.

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