Rz. 102
In Streitfällen mit der Finanzverwaltung ist entscheidend, wer die Feststellungslast trägt. Grundsätzlich muss die Finanzbehörde nachweisen, dass ein Sachverhalt einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang beinhaltet. Dies gilt sowohl für die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen. Zweifel gehen daher zu Lasten der Finanzbehörde. Dies gilt auch für Kapitalüberlassungen an nahe Angehörige und die Frage, ob es sich um eine Schenkung oder eine darlehensweise Hingabe handelt. Eine Schenkungsvermutung, die der Zuwendende widerlegen müsste, besteht insoweit nicht. Eine Ausnahme besteht aber bei Sachverhalten mit Auslandsberührung aufgrund der erhöhten Mitwirkungsverpflichtung des Steuerpflichtigen nach § 91 Abs. 2 AO und bei ungewöhnlichen Geschehensabläufen. Insoweit gehen Zweifel zu Lasten des Zuwendenden.
Rz. 103
Im Hinblick auf den subjektiven Willen zur Freigebigkeit (siehe Rdn 93) ist nach der Rechtsprechung des BFH jedoch bei Erfüllung der objektiven Umstände auf den subjektiven Willen zu schließen. Dies gilt insbesondere bei gemischten Schenkungen (siehe Rdn 99). Besteht objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, ist zu vermuten, dass dem Zuwendenden dies auch bekannt war. Derjenige, der behauptet, dass das Missverhältnis dem Zuwendenden nicht bekannt war, muss dies durch konkreten Vortrag belegen.
Beispiel
V wendet dem S ein Grundstück im Wert von 500.000 EUR zu. Als Gegenleistung zahlt S einen Betrag von 300.000 EUR. Es liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, da die Gegenleistung lediglich 60 % des Wertes des Zuwendungsgegenstandes ausmacht. Die Kenntnis des V von dem groben Missverhältnis ist daher zu vermuten. V müsste substantiiert darlegen und beweisen, dass er von einem niedrigeren Grundstückswert und damit nicht von einer gemischten Schenkung ausging.
Würde dagegen die Wertdifferenz lediglich 5 % betragen, d.h. S 475.000 EUR für das Grundstück bezahlen, fehlt es bereits an einem groben Missverhältnis, so dass keine Vermutung für eine gemischte Schenkung besteht. Die Finanzverwaltung müsste belegen, dass eine teilweise unentgeltliche Zuwendung gegeben ist.
Zur Feststellungslast bei unentgeltlichen Zuwendungen des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft an die Mitgesellschafter durch Leistung an die Gesellschaft siehe oben Rdn 97.
Rz. 104
Je eindeutiger die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, desto eher wird auch der Wille zur Freigebigkeit unterstellt und desto höhere Anforderungen werden an den Beweis des Gegenteils durch den Zuwendenden gestellt (siehe oben Rdn 125). Er muss darlegen, dass der Maßstab des Verkehrsüblichen im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommt.