Rz. 16

Die so genannte Hinauskündigungsklausel ohne Angabe eines sachlichen Grundes kann gerade bei dem Gedanken des Erhalts einer Familiengesellschaft ein geeignetes Gestaltungsinstrument darstellen. Der BGH ausdrücklich die Zulässigkeit einer solchen Klausel für rechtmäßig erklärt:

Vererbt der Inhaber sein einzelkaufmännisches Unternehmen in der Weise an seine beiden Kinder, dass er ihnen dessen Einbringung in eine von ihnen zu gründende Kommanditgesellschaft und den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages auferlegt, der dem einen Kind auch im Falle einer an keine Gründe geknüpften Eigenkündigung das Recht zur Übernahme des Geschäftsbetriebs einräumt, so ist das damit verbundene freie Hinauskündigungsrecht sachlich gerechtfertigt, weil es auf der Testierfreiheit des Erblassers beruht, der durch diese Gestaltung dem anderen Kind eine bereits mit dem Kündigungsrecht belastete Beteiligung vermacht hat.[30]

 

Rz. 17

Der BGH[31] hat entschieden, dass nach §§ 138, 705 ff. BGB das grds. nicht anzuerkennende Recht, einen Mitgesellschafter ohne Vorhandensein eines sachlichen Grundes aus einer Gesellschaft ausschließen zu dürfen, ausnahmsweise dann als nicht sittenwidrig angesehen werden kann, wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit langer Zeit bestehende Vertragsarztpraxis aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, dem Aufnehmenden binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren können; eine Prüfungsfrist von zehn Jahren überschreitet den anzuerkennenden Rahmen bei weitem.[32]

 

Rz. 18

Bei einer im Jahr 2000 nach dem zu dieser Zeit gültigen Zulassungsrecht gegründeten ärztlichen Gemeinschaftspraxis beträgt die höchstzulässige Frist, innerhalb derer der aufnehmende Vertragsarzt prüfen kann, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem eintretenden Vertragsarzt auf Dauer möglich ist, drei Jahre.

 

Rz. 19

Die Anwendung dieser Klausel hat jedoch mit Vorsicht stattzufinden. Gemäß dem BGH und auch nach Ansicht von Teilen der Literatur sind diese Hinauskündigungsklauseln ohne sachlichen Grund wohl nur im Wege eines erbrechtlichen Erwerbs sowie weiteren bisher vom BGH benannten Fällen, nicht aber auch bei der Gestaltung von lebzeitigen Zuwendungen zulässig.[33] Eine freie Hinauskündigungsklausel wegen besonderer Umstände kann sachlich gerechtfertigt sein. Dies wurde vom BGH für folgende Fälle bejaht:

Ausschließungsrecht bei Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Freiberuflerpraxis, das dazu dient, den Altgesellschaftern binnen angemessener Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Gesellschafter das notwendige Vertrauen aufgebaut werden kann.
Als sachlich gerechtfertigt wurde ferner eine Klausel erachtet, der zufolge nach Beendigung eines zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bestehenden Kooperationsvertrages auch die Gesellschafterstellung gekündigt werden darf.[34]
Entsprechendes gilt für Regelungen, welche die Kündigung eines Gesellschafters für den Fall der Beendigung seines Amtes als Geschäftsführer[35] oder für den Fall seines Ausscheidens als Angestellter[36] gestatten.
[30] BGH v. 19.3.2007 – II ZR 300/05; Wälzholz, GmbHR 2007, 1177 ff.; Langenfeld, ZEV 2007, 340 ff.
[32] Bestätigung v. Sen.Urt. v. 8.3.2004 – II ZR 165/02 ("Laborärzte-Fall").
[33] Wälzholz, GmbHR 2007, 1177 ff.
[35] BGHZ 164, 98=ZIP 2005, 1917.
[36] BGHZ 164, 107=ZIP 2005, 1920.

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