Rz. 164
Der Verschonungsabschlag gem. § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG (ggf. i.V.m. Abs. 10) wird zunächst ohne Rücksicht auf die Einhaltung des Lohnsummenkriteriums gewährt. Stellt sich jedoch nach Ende der Lohnsummenfrist (fünf bzw. sieben Jahre) heraus, dass die Mindestlohnsumme unterschritten wurde, vermindert sich der dem Steuerpflichtigen bereits gewährte Verschonungsabschlag nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG). Die Gewährung des Verschonungsabschlags ist also sozusagen auflösend bedingt. Allerdings entfällt der Verschonungsabschlag nicht vollständig, sondern er vermindert sich gem. § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.
Rz. 165
An einem Beispiel verdeutlicht, stellt sich die Situation wie folgt dar:
Beispiel
Wert des Betriebs am Stichtag: 10.000.000 EUR
Mehr als 20 Beschäftigte.
Ausgangslohnsumme: 1.000.000 EUR
Lohnsumme (Ende der Lohnsummenfrist): 3.500.000 EUR innerhalb von fünf Jahren
Die Summe der jährlichen Lohnsummen in den fünf Jahren nach dem Erwerb (Regelverschonung) erreicht im obigen Beispiel 350 % der Ausgangslohnsumme. Sie liegt damit 50 Prozentpunkte unter der Mindestlohnsumme von 400 %; dies entspricht ⅛. Der Verschonungsabschlag von 85 % verringert sich somit um ⅛ auf 74,375 %.
Beträgt der gemeine Wert des Betriebs im Besteuerungszeitpunkt 10.000.000 EUR, bleiben zunächst 8.500.000 EUR steuerfrei, wohingegen 1.500.000 EUR zu versteuern sind. Wegen des Verstoßes gegen die Lohnsummenregelung bleiben dann nur 7.437.500 EUR steuerfrei. Die verbleibenden 2.562.500 EUR sind zu versteuern, wobei die zunächst gezahlte Steuer angerechnet wird.
Rz. 166
Durch die Verminderung des Verschonungsabschlags ändert sich die steuerliche Bemessungsgrundlage. Die Steuer wird unter Anwendung des für die so erhöhte Bemessungsgrundlage maßgeblichen Steuersatzes gem. § 19 ErbStG neu berechnet. Ergibt sich dabei eine Verschiebung der Progression zu Lasten des Steuerpflichtigen, erhöht dies zusätzlich die Steuermehrbelastung. Auf die Gewährung des Abzugsbetrages nach § 13a Abs. 2 ErbStG hat eine Unterschreitung der Mindestlohnsumme im Übrigen negativen keinen Einfluss. Im Gegenteil: Kommt es durch eine Verminderung des Verschonungsabschlags zu einer Erhöhung des nach seinem Abzug verbleibenden Werts auf 150.000 EUR, kann dadurch der maximal mögliche Abzugsbetrag wirksam werden. Auch auf den Vorwegabschlag für Familienunternehmen (§ 13a Abs. 9 ErbStG) hat eine Unterschreitung der Mindestlohnsumme keine negativen Auswirkungen. Gleiches gilt für die Ermittlung des Schwellenwerts für Großerwerbe (§ 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG).
Rz. 167
Der Grund für den Lohnsummenverstoß spielt für die Frage des Ob bzw. auch des Umfangs der Nachversteuerung keine Rolle.
Rz. 168
Da für den Fall der Nachversteuerung eine Verzinsung nicht gesetzlich angeordnet ist, verbleibt dem Steuerpflichtigen aber in jedem Fall für die Dauer der Lohnsummenfrist eine zinslose Stundung des Nachsteuerbetrages. Dies gilt jedenfalls dann bzw. soweit, wie er keine schädlichen Verfügungen i.S.v. § 13a Abs. 6 ErbStG vornimmt, die zu einer früheren (teilweisen) Nachversteuerung führen.
Rz. 169
Wird das begünstigte Vermögen innerhalb der noch laufenden Lohnsummenfrist veräußert und der Erlös entnommen und führt dies gleichzeitig dazu, dass auch die Mindestlohnsumme unterschritten wird, ist selbstverständlich der Verschonungsabschlag zu kürzen. Allerdings erfolgt die Kürzung nicht unbedingt nach den Regeln des § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG. Ggf. ist alternativ § 13a Abs. 6 ErbStG anzuwenden. Welche von beiden Vorschriften eingreift, soll sich nach Auffassung der Finanzverwaltung danach richten, nach welchem Berechnungsmodus sich die höhere Kürzung ergibt. Denn nach Verwaltungsauffassung ist der höhere der beiden Kürzungsbeträge maßgeblich. Zur Prüfung der Mindestlohnsumme will die Verwaltung in diesen Fällen die bis zur Aufgabe/Veräußerung tatsächlich erreichte Lohnsumme mit der (vollen) gesetzlich geforderten Mindestlohnsumme vergleichen.
Rz. 170
Auch wenn der Verwaltung zuzugeben ist, dass ihre Methodik sämtlichen denkbaren Vermeidungsstrategien keinen Raum lässt, ist die von ihr propagierte doppelte Prüfung wenig überzeugend. Die Nachsteuerregelungen in § 13a Abs. 6 ErbStG sanktionieren, dass der begünstigte Erwerber seine unternehmerische Verantwortung (vorzeitig) auf- bzw. abgibt. Das schließt gedanklich auch die Verantwortung für die Beschäftigten mit ein. Die Sanktion fällt umso härter aus, je früher der nachsteuerschädliche Sachverhalt verwirklicht wird.
Wenn kumulativ noch eine Lohnsummenprüfung stattfinden sollte, müsste auch diese sicherlich dem zeitlichen Moment Rechnung tragen. Dies gilt umso mehr, als insb. Veräußerungen von Unternehmen nicht automatisch den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge haben müssen, so dass gerade der Verkaufsfall im Hinblick auf das Lohnsummenkriterium gar nicht zwingend ein steuerl...