Rz. 52
Der Pflichtteilsanspruch stellt für den Pflichtteilsberechtigten eine Teilhabe am Nachlass dar, der gesetzlich garantiert ist, sofern nicht Gründe vorhanden sind, die auch den Pflichtteilsanspruch entfallen lassen. Wird ein pflichtteilsberechtigter Erbe vom Erblasser durch eine letztwillige Verfügung von Todes wegen vom Erbe ausgeschlossen, so garantiert ihm das Pflichtteilsrecht nach §§ 2303 ff. BGB in Höhe des hälftigen Wertes des gesetzlichen Erbteils eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Pflichtteilsberechtigte nach §§ 2303 ff. BGB sind die Abkömmlinge, der Ehegatte, der eingetragene Lebenspartner und die Eltern. Nur wenn die Voraussetzungen der §§ 2333 ff. BGB gegeben sind, kann der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten das Pflichtteilsrecht wirksam entziehen. Freiwillig kann der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsverzicht nach § 2346 BGB erklären. Zu beachten ist dabei, dass dies nur in notarieller Form nach § 2348 BGB möglich ist, wobei dies auch in einem Erbvertrag oder einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag erklärt werden kann. Der für die Gestaltungspraxis wichtige Fall des Pflichtteilsverzichts, der häufig mit einer lebzeitigen Zuwendung verknüpft wird, darf dabei nur in Anwesenheit des Erblassers nach § 2347 Abs. 2 BGB erklärt werden. Der Pflichtteilsverzichtende darf sich dabei vertreten lassen.
Rz. 53
Das Pflichtteilsrecht ist nicht gleichbedeutend mit dem Pflichtteilsanspruch.
Ein Pflichtteilsberechtigter kann allein aufgrund seines Pflichtteilsrechts den Auskunftsanspruch geltend machen, ohne darlegen zu müssen, ob ein Pflichtteilsanspruch überhaupt besteht.
Das Pflichtteilsrecht nach § 2303 Abs. 1 BGB gewährt keine dingliche Teilhabe am Nachlass, sondern der hälftige Wert des gesetzlichen Erbteils ist ein Forderungsrecht in Geld gegen den Erben. Haben sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt, so kann der einzige vorhandene Abkömmling der Eheleute auf das Ableben des Erstversterbenden hin seinen Pflichtteil geltend machen, welcher dann ¼ beträgt, nämlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der ½ betragen würde, wenn nicht durch das Testament der Eltern die Herabsetzung des Abkömmlings auf den Pflichtteil erfolgt wäre. In der Praxis versucht man gerade bei der Fassung eines Testaments, in dem sich die Eltern gegenseitig als Alleinerben und die Abkömmlinge erst als Schlusserben, also Erben des Letztversterbenden, einsetzen, Regelungen einzufügen, die den pflichtteilsberechtigten Abkömmling an der Geltendmachung des Pflichtteils auf das Ableben des Erstversterbenden hin hindern. Dies geschieht durch so genannte Pflichtteilsstrafklauseln. Diese beinhalten, dass derjenige pflichtteilsberechtigte Schlusserbe für den Fall, dass er auf den Tod des Erstversterbenden hin seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, auf den Tod des Letztversterbenden hin dann auch nur den Pflichtteilsanspruch erhalten soll. Die Schlusserbeneinsetzung erfolgt also unter einer auflösenden Bedingung.
Die so genannte Jastrow’sche Klausel ist eine Regelung, wonach bei der Gestaltung einer gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung von Todes wegen Ehegatten, die ihre gemeinschaftlichen Abkömmlinge als Schlusserben einsetzen, durch weitere Regelungen verhindern wollen, dass auf das Ableben des Erstversterbenden hin ein Abkömmling seinen Pflichtteil geltend macht. Um dies zu verhindern, wird auf die so genannte Jastrow’sche Klausel zurückgegriffen, wonach derjenige Abkömmling, der auf den Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch gerade nicht geltend macht, aus dem Vermögen des Erstversterbenden ein verzinsliches Geldvermächtnis in Höhe von deren gesetzlichem Erbteil erhalten soll. Dieses Vermächtnis wird mit dem Tod des Letztversterbenden fällig.
Rz. 54
Der Pflichtteil kann neben einer Einsetzung eines Pflichtteilsberechtigten als Erben – aber eben nur im Umfang des Pflichtteils – auch durch ein Vermächtnis erfolgen, wobei nach § 2304 BGB für diesen Fall im Zweifel keine Erbeinsetzung vorliegt, sondern vielmehr meist ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils anzunehmen ist.
Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren nach § 2332 Abs. 1 BGB.
Rz. 55
Bei der Berechnung eines Pflichtteilsanspruches hat eine Berücksichtigung früherer Zuwendungen des Erblassers dann zu erfolgen, sofern dies bei der Zuwendung durch den Erblasser ausdrücklich formuliert wurde, § 2315 Abs. 1 BGB. Es handelt sich dabei um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die im Zeitpunkt der Zuwendung dem Empfänger zugehen muss. Ein solche Erklärung nachträglich vorzunehmen, beispielsweise in der letztwilligen Verfügung von Todes wegen, ist nicht möglich. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB gewährleistet dem Pflichtteilsberechtigten, dass Schenkungen des Erblassers, die nicht länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt sind, nach § 2325 Abs. 3 BGB als Ergänzung des Pflichtteils zu berücksichtigen sind. Der Pflichtteilsberechtigte kann nach § 2325 A...