Rz. 66
Im Rahmen der Schätzung des Werts nach § 11 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BewG geht das Gesetz grds. von einer Anwendbarkeit des Ertragswertverfahrens aus. Nur soweit ein (nach der Definition des Gesetzgebers) anderes Verfahren anerkannt und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblich ist, kommt seine alternative Anwendung überhaupt in Betracht. Diese Merkmale sind nicht durch juristische Deduktion, sondern ausschließlich durch empirische Marktbeobachtung feststellbar. Die Feststellungslast, ob eine derartige Methode anstelle der Ertragswertmethode anwendbar ist, trägt der sich jeweils darauf Berufende. Anhaltspunkte für eine Methode, die ein Erwerber bei der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde, können neben der Ertragswert- oder Zahlungsstromorientiertheit des Verfahrens z.B. auch branchenspezifische Verlautbarungen sein, die sich z.B. bei Kammerberufen aus Veröffentlichungen der Kammern ergeben.
Rz. 67
Im Übrigen ergibt sich aber aus § 11 Abs. 2 S. 2 letzter Hs. BewG, dass für die Bewertung grds. die Methode anzuwenden ist, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Es besteht also ein gesetzlicher Zwang, die Methode anzuwenden, die zum niedrigsten Ergebnis führt. Denn genau dieser Methode würde sich auch ein gedachter Erwerber des Unternehmens bedienen. Ein Wahlrecht zwischen ertragswertorientierter Bewertung und alternativen Bewertungsmethoden besteht also von Gesetzes wegen grds. nicht. Die Verteilung der Feststellungslast – diese trägt stets derjenige, der sich auf die Anwendbarkeit einer anderen, nach der Definition des Gesetzgebers nicht ertragswertorientierten Methode beruft – führt jedoch dazu, dass jedenfalls zugunsten des Steuerpflichtigen ein faktisches Wahlrecht besteht.
Rz. 68
Ein echtes Wahlrecht (allein) zugunsten des Steuerpflichtigen gilt jedoch im Hinblick auf das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG). Denn dieses stellt ein – wenn auch vereinfachtes – ertragsorientiertes Bewertungsverfahren dar und unterfällt daher dem gesetzlichen Grundfall nach § 11 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 1. Alt. BewG. Dieses Wahlrecht gilt ausschließlich für den Steuerpflichtigen. Das Finanzamt ist an das vereinfachte Ertragswertverfahren gebunden. Dies entspricht auch dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Gesetzliche Wahlrechte können im Steuerrecht stets nur zugunsten des Steuerpflichtigen bestehen, nicht zugunsten des Fiskus. Wählt also der Steuerpflichtige die Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, kann dieses nur unter der Voraussetzung verworfen werden, dass es zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Zweifel hieran müssen – nach Verwaltungsauffassung – seitens des Finanzamts (nur) substanziiert dargelegt werden; dem Steuerpflichtigen ist sodann Gelegenheit zu geben, die Bedenken des Finanzamts auszuräumen. Die Feststellungslast soll jedoch im Zweifelsfall beim Steuerpflichtigen liegen, da nach Verwaltungsauffassung das Petitum, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren "nicht zu offensichtlichen unzutreffenden Ergebnissen" führen darf, eine gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung bildet.