Rz. 1
§ 12 BewG regelt die Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden. Insoweit gilt grundsätzlich der gemeine Wert als Referenz; dieser entspricht im Regelfall dem jeweiligen Nennbetrag. Allerdings ist für bestimmte Situationen eine weitere Konkretisierung erforderlich. Diese erfolgt in § 12 BewG.
Die Vorschrift hat seit Einführung des BewG nur wenige und geringfügige Änderungen erfahren. Das gilt auch für die Anpassung von Absatz 4 im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2009. Nach mehreren erfolglosen Versuchen beseitigte der Gesetzgeber die bis Ende 2008 bestehende Möglichkeit, noch nicht fällige Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen mit⅔ der vor dem Übertragungsstichtag eingezahlten Beiträge zu bewerten. Maßgeblich ist seit 2009 allein der sog. Rückkaufswert.
Rz. 2
Ebenso wie in den §§ 13 Abs. 1 und 15 Abs. 1 BewG ist auch in § 12 BewG eine Abzinsung zinsloser Kapitalforderungen auf der Grundlage eines Zinssatzes von 5,5 v.H. vorgesehen. Dies hat nicht nur Bedeutung für die Bewertung zu Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecken, sondern stellt auch die Weichen für die einkommensteuerrechtliche Behandlung: Denn bei der Begleichung einer unter § 12 Abs. 2 BewG fallenden unverzinslichen und befristeten Kapitalforderung ist der dem Gläubiger zugeflossene Betrag in einen Kapital- und einen Zinsanteil zu zerlegen; der Zinsanteil zählt zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 EStG.
Rz. 3
Wichtig ist, dass § 12 BewG grundsätzlich nur für die Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden im Privatvermögen maßgeblich ist. Denn für Betriebsvermögen verweist § 109 Abs. 1 BewG auf § 11 Abs. 2 BewG, demzufolge – soweit eine Wertableitung aus tatsächlichen Verkäufen nicht in Betracht kommt – der Wert des Betriebes insgesamt unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder nach einer anderen für außersteuerliche Zwecke im allgemeinen Geschäftsverkehr üblichen Methode zu schätzen ist. Eine Einzelbewertung der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter findet hier gerade nicht statt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt: Soweit der Betrieb auch Gegenstände des sog. nicht betriebsnotwendigen Vermögens umfasst, sind diese gesondert zu bewerten und dem Ertragswert hinzuzusetzen. Die Ermittlung des gemeinen Werts der Gegenstände des nichtbetriebsnotwendigen Vermögens erfolgt nach den allgemeinen bewertungsrechtlichen Regeln, also bei Kapitalforderungen und Schulden nach § 12 BewG. Dieselben Grundsätze sind auch für etwa vorhandenes Sonderbetriebsvermögen einzelner Mitunternehmer anzuwenden.
Rz. 4
§ 12 BewG ist eine reine Bewertungsvorschrift, sie regelt indes nicht die Frage, ob das jeweilige Bewertungsobjekt überhaupt bei der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu erfassen ist.
Voraussetzung für die Bewertung nach § 12 BewG ist aber, dass die jeweilige Kapitalforderung am Stichtag bereits entstanden ist und noch nicht getilgt wurde. Ob die genaue Höhe der Kapitalforderung bzw. Verbindlichkeit am Stichtag (schon) feststeht, ist nicht entscheidend. Vielmehr genügt es, dass mit der Erfüllung der Forderung sicher zu rechnen ist. Spiegelbildlich muss eine Kapitalschuld auch eine tatsächliche wirtschaftliche Belastung für den Schuldner bedeuten. Andernfalls wird sie weder angesetzt noch bewertet. Eine etwa eingeschränkte Fungibilität der Forderung steht der Anwendung von § 12 BewG nicht entgegen. Demzufolge sind auch nur beschränkt abtretbare Forderungen als Kapitalforderungen zu bewerten. Dies gilt auch dann, wenn den Leistenden keine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung trifft, er sich aber aus anderen Gründen der Erfüllung der Kapitalforderungen nicht entziehen kann. Dieselben Grundsätze gelten auch für Schulden, die der Schuldner (ohne rechtliche Verpflichtung) tatsächlich erfüllen muss.
Rz. 5
Unanwendbar ist § 12 BewG auf Sachleistungsansprüche bzw. entsprechende Verbindlichkeiten, ebenso auf Rentenforderungen, deren Bewertung sich nach §§ 13 ff. BewG richtet.