Rz. 1
Wiederkehrende Leistungen werden im Zivilrecht als Früchte eines Stammrechts angesehen. In gleicher Weise lassen sich Nutzungen auf ein Stammrecht zurückführen. In der Finanzmathematik werden sie unterschiedslos Rente genannt. Grundlage der Rentenrechnung ist die Erkenntnis, dass ein Geldbetrag, der jetzt zur Verfügung steht, mehr wert ist als ein künftiger Geldbetrag. Denn gegenwärtiges Geld kann gegenwärtig zinsbringend angelegt werden, künftiges Geld nicht. Eine Operation der Finanzmathematik besteht darin, den Gegenwartswert von Renten zu berechnen. Man nennt ihn im Bewertungsrecht Kapitalwert und in der Finanzmathematik (Renten)Barwert. Berechnet wird er, indem man die Einzelbeträge unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen diskontiert oder abzinst. Je nach Sichtweise kann man sagen, dass die Nutzungen und Leistungen bewertet werden oder dass das Stammrecht selbst in einem Ertragswertverfahren bewertet wird.
Rz. 2
Bewertet wird immer auf einen bestimmten Zeitpunkt, den Bewertungsstichtag. Der Wert am Stichtag hängt von verschiedenen Faktoren ab: der Dauer oder Laufzeit der Nutzungen und Leistungen, ihrer Höhe und Fälligkeit und dem Zinssatz, mit dem abgezinst wird. Nicht immer stehen am Stichtag alle Faktoren fest. Was nicht feststeht, muss prognostiziert, d.h. geschätzt werden. Dadurch ist das Ergebnis mit Unsicherheit und Risiko behaftet. Erst wenn die Rente endet, weiß man wirklich, wie hoch der Barwert ist. Das kann gegebenenfalls über § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu einer Korrektur der Bewertung mit wirtschaftlicher Wirkung für die Vergangenheit führen.
Rz. 3
Nutzungen und Leistungen können über einen nach dem Kalender festgelegten Zeitraum anfallen. Dann laufen sie auf eine bestimmte Zeit, und man kann von einer Rente auf bestimme Zeit oder einer reinen Zeitrente sprechen. Die Laufzeit kann aber auch von einem künftigen unbestimmten Ereignis abhängen, von dem sicher ist, dass es eintritt, nur wann, weiß man nicht. Dann haben die Nutzungen und Leistungen eine unbestimmte Dauer und es handelt sich um eine Rente auf unbestimmte Zeit. Eine Besonderheit ergibt sich, wenn das künftig mit Gewissheit eintretende Ereignis der Tod des Berechtigten ist. Denn die Lebenszeit eines Menschen lässt sich im Vorhinein nicht berechnen, sondern nur mit Hilfe statistischer Methoden schätzen. Dann geht es um eine Rente auf Lebenszeit. Und schließlich können die Nutzungen und Leistungen anfallen, ohne dass sich ein Ende absehen lässt; dann handelt es sich um immerwährende oder ewige Nutzungen und um eine immerwährende oder ewige Rente.
Rz. 4
Für die Erbschaftsteuer stellt sich die Frage, wie wiederkehrende Nutzungen und Leistungen besteuert werden sollen. Eine Möglichkeit wäre, die Einzelbeträge sukzessive zu besteuern, wenn sie der Berechtigte erhält. Das wäre aber sehr unpraktisch, weil die Steuer fortlaufend nachberechnet werden müsste. Deshalb ist es einfacher, die Nutzungen und Leistungen nur ein einziges Mal zu besteuern, und zwar entsprechend ihrem Wert im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 11 ErbStG). Das kann allerdings nicht auf der Grundlage der aufsummierten Nominalwerte der Zuflüsse geschehen, sondern nur auf der Grundlage des Kapitalwerts. Diese praktikable Lösung ist für den Berechtigten nachteilig, weil ihm der Kapitalwert nicht zur Verfügung steht, so dass er die Steuer aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe eines Kredits zahlen muss. Deshalb gibt ihm § 23 ErbStG die Möglichkeit, die Steuer nicht nach dem Kapitalwert zu entrichten, sondern jährlich im Voraus nach dem einfachen Jahreswert der Nutzungen und Leistungen.