Rz. 186
Inwieweit in der Leistung eines Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft eine freigebige Zuwendung an einen oder mehrere andere Gesellschafter gesehen werden kann, die zur Abkürzung des Leistungsweges direkt an die Gesellschaft erbracht wird, war bereits vor Einfügung des § 7 Abs. 8 ErbStG umstritten.
Rz. 187
Nach Ansicht der Finanzverwaltung und einem Teil der Literatur ist es ausreichend, wenn der Leistende mit seiner Zuwendung das Ziel verfolgt, die übrigen Gesellschafter durch die Werterhöhung der (vorhandenen) Gesellschaftsrechte unentgeltlich zu bereichern. Eine Substanzverschiebung ist danach nicht erforderlich. Es genügt jedoch nicht, dass sich die Gesellschaftsrechte der übrigen Gesellschafter in ihrem Wert lediglich als unvermeidbare Folge der Einlage oder des Gesellschafterbeitrages erhöhen. Entscheidend für die Bejahung einer freigebigen Zuwendung ist vielmehr, dass der Gesellschafter nicht nur die Förderung des Gesellschaftszwecks, sondern auch eine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter beabsichtigt (zur Bereicherungsabsicht siehe oben Rdn 97) oder die Zuwendung in keinem Zusammenhang zum Gesellschaftszweck steht.
Rz. 188
Eine engere Ansicht in der Literatur lässt eine bloße Wertsteigerung bei den vorhandenen Anteilen nicht genügen, sondern verlangt eine substantielle Vermögensverschiebung. Damit scheiden die Fälle, in denen die Bereicherung allein in der Wertsteigerung der vorhandenen Anteile liegt, mangels Substanzverschiebung aus einer Besteuerung aus. In seinem Urt. v. 25.10.1995 hat der BFH ebenfalls auf das Erfordernis einer Substanzverschiebung abgestellt. Dem Urteil lag ein Darlehen eines Gesellschafters zugrunde, das dieser an die GmbH gewährt und für die Dauer von zehn Jahren auf eine Verzinsung verzichtet hatte. In dem Verzicht auf die Darlehensverzinsung liegt keine Zuwendung an den anderen Gesellschafter (Sohn), denn Empfänger der Zuwendung (Zinsverzicht) sei allein die GmbH als juristische Person und nicht der andere Gesellschafter. Entsprechend hat der BFH für den Fall der Errichtung einer GmbH durch Bargründung im Zuge einer Betriebsaufspaltung entschieden und die unmittelbar durch den günstigen Pachtvertrag eintretende Werterhöhung der GmbH-Anteile nicht als freigebige Zuwendung anerkannt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dagegen eine bloße Wertveränderung bei bereits vorhandenen Anteilen nicht ausreichend, wenn damit keine Substanzverschiebung (z.B. im Zuge einer Kapitalquoten verändernden Kapitalerhöhung) verbunden ist. Die durch die Werterhöhung eintretende Bereicherung bei den Gesellschaftern beruhe lediglich auf einem Reflex und nicht einer freigebigen Zuwendung. Insbesondere bloße disquotale Einlagen können danach keine freigebigen Zuwendungen darstellen. Dies hat der BFH mit Urt. v. 9.12.2009 ausdrücklich bestätigt. Die Finanzverwaltung hat sich nach einigem Zögern und mit Blick auf die Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG mit Wirkung ab dem 14.12.2011 der Ansicht des BFH grds. angeschlossen, jedoch mit besonderen Ausnahmetatbeständen (siehe dazu auch Rdn 196).
Rz. 189
Festzuhalten ist, dass bis einschließlich 13.12.2011 in den Fällen einer Substanzverschiebung nach allen bisherigen Ansichten eine freigebige Zuwendung bejaht werden kann, während die Auffassungen bei einer bloßen Wertsteigerung der vorhandenen Geschäftsanteile vor Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG auseinandergehen. Voraussetzung für die Annahme einer freigebigen Zuwendung ist dabei aber, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, an der mehrere Gesellschafter beteiligt sind. Bei einer Einmann-GmbH kommt stets nur eine steuerlich unbeachtliche Vermögensumschichtung in Betracht, da der durch die Anteilswerterhöhung eintretenden Bereicherung des Gesellschafters durch die Zuwendung an die Gesellschaft eine Entreicherung in seinem Vermögen korrespondiert. Nicht erforderlich für die Annahme einer Schenkung ist, dass der Zuwendungsgegenstand einlagefähig im Sinne des Handels- oder Steuerbilanzrechts ist. Jede Leistung eines Gesellschafters an die Gesellschaft, auch die Zuwendung eines Nutzungsvorteils, kann insoweit genügen.
Rz. 190
§ 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG fingiert ab dem 14.12.2011 nach seinem Wortlaut eine Schenkung, wenn eine Kapitalgesellschaft eine Leistung erhält, für die sie keine angemessene Gegenleistung erbringen muss und die daher den Wert der Gesellschaft erhöht. Begünstigter der fingierten Schenkung ist nicht die Gesellschaft, sondern die Mitgesellschafter, deren Anteile im Wert steigen. Das Gesetz sieht keine Beschränkung der begünstigten Mitgesellschafter auf einen bestimmten Personenkreis (z.B. Angehörige) vor, so dass jeder Mitgesellschafter unabhängig von einer Beteiligungsquote bereichert werden soll. Bei einer mittelbaren Beteiligung soll diejenige natürliche Person begünstigt sein, der über die Beteiligungskette die Geschäftsanteile an der die Leistung empfangenden Gesellschaft wirtschaftlich zuzurechnen ist.
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