Rz. 381
Wird der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der entsprechenden Regelungen innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung geändert, so dass die Voraussetzungen von § 13a Abs. 9 S. 1 ErbStG nicht mehr erfüllt sind, oder entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb dieses Zeitraums nicht mehr den gesellschaftsvertraglichen Vorgaben, führt dies zu einem rückwirkenden Entfall des Wertabschlages. Insoweit handelt es sich um eine absolute zeitliche Grenze. Wann innerhalb des Zeitraums von 20 Jahren es zu einem Verstoß kommt, spielt für den Umfang des Wegfalls der Begünstigung keine Rolle. Ebenso ist es unbeachtlich, welcher Gesellschafter gegen die Regelungen verstößt.
Rz. 382
Vor diesem Hintergrund kommt der bereits oben angesprochenen Frage, in welchem Umfang Anteilsübertragungen an andere als die in § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Personen auf der Grundlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses zu einer Verletzung der Anforderungen von § 13a Abs. 9 ErbStG führen können, umso größere Bedeutung zu.
Rz. 383
Im Übrigen stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob einzelne, die in Rede stehenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen durchbrechende Beschlüsse bereits für sich genommen dazu führen sollten, dass die gesellschaftsvertraglichen Regelungen mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Angesichts des mit 20 Jahren doch äußerst lang bemessenen Kontrollzeitraums sollte davon auszugehen sein, dass einzelne, insb. durch außergewöhnliche tatsächliche Verhältnisse ausgelöste vom Gesellschaftsvertragsinhalt abweichende Beschlüsse unschädlich sind, wenn die Gesellschafter "im Großen und Ganzen" die selbst auferlegten Beschränkungen einhalten. Das gilt beispielsweise für erhöhte Entnahme- oder Ausschüttungsbedürfnisse im Zusammenhang mit der Begleichung von Erbschaftsteuerverpflichtungen oder auch im Falle der Einigung mit einem um die Höhe seiner Abfindung streitenden ausscheidenden Gesellschafter.
Die Finanzverwaltung scheint insoweit allerdings eine harte Linie zu verfolgen: Denn sie geht davon aus, dass Entnahmen oder Ausschüttungen zur Begleichung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer in jedem Fall als schädlich anzusehen sind. Außerdem hält sie jeden Verstoß gegen die gesetzlich geregelten Voraussetzungen für den Vorwegabschlag (also die entsprechenden Gesellschaftsvertrags- bzw. Satzungsregelungen) und auch die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Möglichkeit, Anteilsübertragungen an Dritte durch Beschluss zuzustimmen, für schädlich. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sie auch satzungsrechtlichen Beschlüssen ähnlich gegenüberstehen wird.
Rz. 384
Fraglich ist darüber hinaus, ob bzw. wie sich Vertragsänderungen auswirken, die nach einer Veräußerung der begünstigt erworbenen Beteiligung (also nach Ausscheiden des Steuerpflichtigen aus der Gesellschaft) vorgenommen werden. Diese dürfen – ungeachtet der 20-Jahresfrist – für die Besteuerung keine Rolle spielen. Denn eine Sanktionierung der Aufgabe/Veräußerung der Beteiligung erfolgt ausschließlich im Rahmen der Behaltensfrist des § 13a Abs. 6 ErbStG. Außerdem dürfte sich im Falle einer Anteilsveräußerung (oder auch eines Ausscheidens unter Geltung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkungen) die von § 13a Abs. 9 ErbStG unterstellte Wertminderung sogar effektiv auswirken, so dass ein rückwirkender Wegfall ihrer Berücksichtigung erst recht unangemessen erschiene.
Ungeachtet dieser Erwägungen fordert die Finanzverwaltung aber die Aufrechterhaltung der in § 13a Abs. 9 S. 1 ErbStG geregelten Voraussetzungen auch über den Zeitpunkt des Ausscheidens des begünstigten Erwerbers hinaus, und zwar unabhängig vom Grund seines Ausscheidens (beispielsweise auch im Todesfall).
Lediglich eine Änderung des Umfangs der Abfindungsbeschränkungen führt nicht zum vollständigen Entfall des Vorwegabschlags, sondern lediglich zu seiner Kürzung (entsprechend dem Umfang der nach der Änderung geltenden Abfindungsbeschränkung). Eine Unterschreitung der Mindestlohnsumme (§ 13a Abs. 3 ErbStG) oder ein Behaltensfristverstoß (§ 13a Abs. 6 ErbStG) sind für den Vorwegabschlag irrelevant.
Rz. 385
Unschädlich ist (aus Sicht der Finanzverwaltung sicher vor dem Hintergrund der angesprochenen Interpretation der 20-Jahres-Frist) prinzipiell auch die Weiterübertragung der begünstigt erworbenen Anteile (durch Schenkung unter Lebenden oder auch entgeltliche Veräußerung). Gleiches gilt für den Übergang der Anteile von Todes wegen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der jeweilige Erwerber/Rechtsnachfolger zum Kreis der in § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Personen zählt. Ist dies der Fall, läuft die 20-Jahres-Frist für den ursprünglichen Erwerber weiter; Verstöße seines Rechtsnachfolgers werden ihm zugerechnet.
Rz. 386
Führt der rückwirkende Entfall des Vorwegabschlags im Rahmen der Neuberechnung der Steuer dazu, dass der ...