Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
I. Ermittlung des Rohertrags (1. Schritt)
Rz. 2
Zunächst ist der Rohertrag des Grundstücks zu ermitteln. Was Rohertrag im hier verstandenen Sinne ist, wird in § 186 BewG definiert. Ermittlungsgrundlage ist das vereinbarte Entgelt (Miete/Pacht) nach Abzug der umgelegten Betriebskosten. "Vereinbartes" Entgelt bedeutet, dass es auf das Entgelt laut Miet- oder Pachtvertrag bzw. sonstige Nutzungsvereinbarung ankommt. Zu Einzelheiten siehe R B 186.1 ErbStR 2019, in denen auch noch einmal expressis verbis klargestellt wird, dass es sich bei dem Entgelt um eine Sollmiete und keine "Zahlmiete" handelt. Mietausfälle fallen somit nicht ins Gewicht; das Entgelt wird auch in diesen Fällen nach den vereinbarten vertraglichen Konditionen berechnet (R B 186 Abs. 1 S. 5–7 ErbStR 2019).
II. Betriebskosten
Rz. 3
Nicht zum Entgelt (Rohertrag) gehören die als Umlage gezahlten Betriebskosten i.S.d. § 27 II. BV oder § 2 BetrKV, die neben der Miete mit dem Mieter abgerechnet werden können (umlagefähige Betriebskosten). Sind die Betriebskosten ganz oder teilweise in der vereinbarten Miete enthalten, sind sie herauszurechnen. Werden Betriebskosten pauschal erhoben und nicht mit dem Mieter abgerechnet, sind sie im Entgelt zu erfassen; die tatsächlich angefallenen Betriebskosten sind davon abzuziehen. Von den Betriebskosten sind die i.d.R. in die Miete eingerechneten Bewirtschaftungskosten zu unterscheiden. Diese werden erst im Rahmen des § 187 BewG berücksichtigt (siehe dazu § 187 BewG Rdn 2–4).
III. Entgelt am Bewertungsstichtag
Rz. 4
Maßgebend ist der am Bewertungsstichtag = Besteuerungsstichtag maßgebende Vertrag. Auf die Zahlungsweise, Zahlungsverzug bzw. Rückstand u. dgl. kommt es nicht an. Ermittlungsgrundlage ist das Entgelt, das umgerechnet auf 12 Monate zu zahlen ist. Dabei kommt es nach Auffassung der Finanzverwaltung auf die zurückliegenden 12 Monate an. Die Formulierung "zu zahlen ist" deutet dagegen eher auf eine zukunftsbezogene Betrachtung hin, ansonsten stünde dort "zu zahlen war".
Beispiele lt. HB 186.1 "Gestaffelte Mietänderung" ErbStH 2019
V vermietete als Eigentümer ab dem 1.6.2016 langfristig ein Laborgebäude mit einer Nutzfläche von 120 m². Die vereinbarte monatliche Nettokaltmiete betrug 800 EUR. Zum jeweils 1.6. eines Jahres sieht der Mietvertrag eine Steigerung der vereinbarten Nettokaltmiete in Höhe von 0,20 EUR je m² Wohnfläche vor. Am 31.1.2018 verstarb V. Das vereinbarte Entgelt zum Bewertungsstichtag am 31.1.2018 ermittelt sich wie folgt:
vereinbarte monatliche Miete (800 EUR x 12) |
9.600 EUR |
Mietsteigerung zum 1.6.2017 (0,20 EUR x 120 m² x 12) |
+ 288 EUR |
Entgelt nach § 186 Abs. 1 BewG |
9.888 EUR |
Weitere Berechnungsbeispiele zu mehrstöckigen Mietverhältnissen, Mietvorauszahlungen siehe H B 186.1 ErbStH 2019.
Rz. 5
§ 182 Abs. 2 BewG enthält Hilfsgrößen für den Fall, dass das Grundstück eigengenutzt, ungenutzt, zum vorübergehenden Gebrauch oder unentgeltlich überlassen wird, der Eigentümer dem Mieter eine stark verbilligte Miete eingeräumt hat. In diesen Fällen ist die übliche Miete anzusetzen (Näheres siehe § 186 BewG Rdn 2–4 und R B 186.5 ErbStR 2019). In den Fällen der Betriebsaufspaltung ist vorbehaltlich des § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG von der zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen vertraglich vereinbarten Miete auszugehen, Berechnungsbeispiel zur Betriebsaufspaltung in H B 186.1 "Betriebsaufspaltung" ErbStH 2019.
IV. Abzug der Bewirtschaftungskosten (2. Schritt)
Rz. 6
Ist der Rohertrag nach § 186 BewG ermittelt, sind von diesem Rohertrag die Bewirtschaftungskosten abzuziehen. Was unter Bewirtschaftungskosten zu verstehen ist und wie sie ermittelt werden, regelt § 187 BewG (siehe § 187 BewG Rdn 2–4). In der Praxis werden die Bewirtschaftungskosten voraussichtlich regelmäßig gem. § 187 Abs. 2 BewG mit pauschalen Erfahrungssätzen berücksichtigt. Hilfsweise enthält Anlage 23 zu § 187 BewG pauschale Prozentsätze. Nach Abzug der Bewirtschaftungskosten vom Rohertrag des Grundstücks ergibt sich der Reinertrag des Grundstücks.
V. Vom Reinertrag des Grundstücks zum Reinertrag des Gebäudes (3. Schritt)
Rz. 7
Zur Ermittlung des Gebäudereinertrags muss der Entgeltanteil für den Grund und Boden herausgerechnet werden, da der zuvor ermittelte Reinertrag des Grundstücks auch Entgeltanteile für die Nutzung des Grund und Bodens enthält. Der Wert des Grund und Bodens soll aber durch den separat ermittelten Bodenwert gemäß § 184 Abs. 1 und Abs. 2 BewG in der Berechnung berücksichtigt werden und abgegolten sein. Damit der Grund und Boden nicht doppelt in beiden Komponenten erfasst wird, muss pauschal der Jahresverzinsungsbetrag des Bodenwerts ermittelt und vom Grundstücksreinertrag abgezogen werden. Zur Ermittlung des Verzinsungsbetrags ist zunächst der Steuerwert für das unbebaute Grundstück zu ermitteln. Der Bodenwert erbringt nach der Gesetzessystematik eine bestimmte Verzinsung. Die Errechnung des Verzinsungsbetrags ist in § 188 BewG geregelt. Vorrangig ist der Verzinsungsbetrag mit Hilfe des örtlichen Liegenschaftszinses zu errechnen. Grundsätzlich sollten die Gutachterausschüsse die örtlichen Liegenschaftszinsen ermitteln und veröffentlichen. Häufig liegen in der Praxis jedoch keine geeigneten Liegenschaftszinsen vor. Des...