Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
I. Bewertung im Vergleichswertverfahren (Abs. 1)
Rz. 2
Grundsätzlich soll der gemeine Wert des Erbbaurechts im Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG ermittelt werden. Dies setzt voraus, dass in hinreichender Anzahl Vergleichskaufpreise bzw. aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren für Erbbaurechte in der Region des geerbten oder geschenkten Erbbaurechts vorliegen. Solche Vergleichspreise werden im Zweifel von den Gutachterausschüssen und ggf. durch andere Marktbeobachter ermittelt und bekannt gegeben.
II. Gesamtwert des Erbbaurechts nach dem gesetzlichen (finanzmathematischen) Verfahren (Abs. 2)
Rz. 3
Liegen Vergleichspreise/Vergleichsfaktoren nicht vor, regelt § 193 Abs. 2–4 BewG die Wertermittlung. Die dort vorgesehene Wertermittlung ist ein finanzmathematisches Verfahren, das so in etwa auch bei der allgemeinen Verkehrswertermittlung üblich ist. Abweichend davon schließt das BewG eine Berücksichtigung weiterer wertbeeinflussender Umstände beispielsweise von Marktanpassungsfaktoren, vom Üblichen abweichende Auswirkungen vertraglicher Vereinbarungen (insb. fehlende Wertsicherungsklauseln oder der Ausschluss einer Anpassung des Erbbaurechtsvertrags) aus. Bei der gesetzlich geregelten Wertermittlung nach § 193 Abs. 2–4 BewG setzt sich der Wert des Erbbaurechts aus einem Bodenwertanteil und einem Gebäudewertanteil zusammen. Ist das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück unbebaut, besteht der Grundbesitzwert des Erbbaurechts nur aus dem Bodenwertanteil.
Rz. 4
In der Gesetzesbegründung wird ein Ablaufbewertungsschema gezeigt, welches hier modifiziert (u.a. ergänzt mit den entsprechenden Normen) wiedergegeben wird:
Schema zur Bewertung von Erbbaurechten
III. Ermittlung des Bodenwertanteils (Abs. 3 und 4)
Rz. 5
Der Bodenwertanteil ergibt sich aus dem kapitalisierten Unterschiedsbetrag zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins am Bewertungsstichtag. Die Errechnung kann in 5 Schritten vorgenommen werden.
Rz. 6
1. Schritt: Bodenwert
Zunächst ist der Wert des unbebauten Grund und Bodens zu ermitteln, so als ob das im Erbbaurechtswege errichtete Bauwerk nicht vorhanden wäre. Der Wert des unbelasteten Grundstücks ergibt sich gem. § 179 BewG aus der Multiplikation der Fläche mit dem zutreffenden Bodenrichtwert. Näheres siehe Erläuterungen zu § 179 BewG (siehe § 179 BewG Rdn 2 ff.).
Rz. 7
2. Schritt: Ermittlung des Verzinsungsbetrags des Bodenwertanteils
Der Verzinsungsbetrag des Bodenwerts wird aus dem Wert des unbelasteten Grundstücks und einem Liegenschaftszinssatz errechnet. Durch Anwendung des Liegenschaftszinssatzes auf dem Bodenwert ergibt sich der Verzinsungsbetrag. In § 193 Abs. 4 BewG wird angegeben, wie der Liegenschaftszinssatz zu ermitteln ist. Hier ist vorrangig auf Ermittlungen von Liegenschaftszinssätzen der Gutachterausschüsse zurückzugreifen; also ist zunächst Auskunft darüber einzuholen.
Als Reaktion auf die in letzter Zeit ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist die vorliegende Version der Norm geschaffen worden (siehe dazu auch § 188 BewG Rdn 3, 5 und 6). Mit den gesetzlichen Änderungen soll insbesondere eine verfassungskonforme und rechtssichere Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sichergestellt werden, die auf einer sach- und praxisgerechten Anwendung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten der Gutachterausschüsse fußen soll. Die jetzt formulierte Version von § 193 Abs. 4 S. 1 BewG präzisiert dabei i.V.m. § 188 Abs. 2 S. 1 und § 177 Abs. 2 BewG den zeitlichen Anwendungsbereich der von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Liegenschaftszinssätze.
Der BFH hat entschieden, dass die vom Gutachterausschuss ermittelten und für die Bewertung des Grundbesitzes erforderlichen Daten (hier: Liegenschaftszinssätze) nur Anwendung finden, wenn der Auswertungszeitraum der Gutachterausschüsse den Bewertungsstichtag mitumfasst. Dies hätte zur Folge, dass für die jeweilige Bewertung auf die Auswertung und Veröffentlichung des Gutachterausschusses für den Auswertungszeitraum gewartet werden muss, der den Bewertungsstichtag mitumfasst. Der vom Gutachterausschuss zugrunde gelegte Auswertungszeitraum ist jedoch vom Gutachterausschuss frei wählbar und hängt auch von den vorhandenen Daten des Gutachterausschusses ab. Dies führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und gefährdet eine zeitnahe Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer. Mit den Gesetzesanpassungen wird die bisherige Verwaltungsauffassung festgeschrieben, dass wie bei den Bodenrichtwerten die zuletzt ermittelten Daten für die Bewertung maßgeblich sind (vgl. § 188 Abs. 2 S. 1 BewG).
Kann der Gutachterausschuss keine Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stellen, ist hilfsweise auf die in § 193 Abs. 4 S. 2 BewG wiedergegebenen Zinssätze zurückzugreifen. Diese Liegenschaftszinssätze entsprechen denjenigen in § 188 BewG. Die Höhe des Liegenschaftszinssatzes ist von der Grundstücksart abhängig, die Grundstücksarten sind in § 181 BewG definiert.
Beispiel
Bei einem Mietwohngrundstück mit einem Bodenwert von 1 Mio. EUR ergibt s...