Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
I. Bewertung im Vergleichswertverfahren (Abs. 1)
Rz. 2
Für die Bewertung des Erbbaugrundstücks sieht das Gesetz vorrangig eine Bewertung mit Vergleichspreisen/Vergleichsfaktoren vor. Sind diese von den Gutachterausschüssen nicht ermittelt und auch von anderen Marktbeobachtern in statistisch qualifizierter Form nicht erhältlich, sieht das Gesetz eine schematische Bewertung in den § 194 Abs. 2–4 BewG vor.
Rz. 3
In der Gesetzesbegründung wird ein Ablaufbewertungsschema gezeigt, welches hier modifiziert (u.a. ergänzt mit den entsprechenden Normen) wiedergegeben wird:
Schema zur Bewertung von Erbbaugrundstücken
II. Gesamtwert des Erbbaugrundstücks nach dem gesetzlichen (finanzmathematischen) Verfahren (Abs. 2)
Rz. 4
Der Gesamtwert des Erbbaugrundstücks ist in der Regel mit dem Bodenwertanteil identisch. Kann der Eigentümer des Erbbaurechtsgrundstücks das Gebäude nach Ablauf ohne Entschädigung bzw. gegen geringe Entschädigung erhalten, ist ihm auch ein Gebäudewertanteil zuzurechnen. In diesem Fall ergibt sich der Gesamtwert aus der Summe von Bodenwertanteil und Gebäudewertanteil. Eine Berücksichtigung weiterer wertbeeinflussender Umstände – beispielsweise von Marktanpassungsfaktoren bzw. vom Üblichen abweichenden Auswirkungen vertraglicher Vereinbarungen, insb. die Berücksichtigung von fehlenden Wertsicherungsklauseln oder der Ausschluss einer Anpassung des Erbbaurechtsvertrags – ist in diesem typisierten Verfahren ausgeschlossen.
III. Ermittlung des Bodenwertanteils (Abs. 3)
Rz. 5
Der Bodenwertanteil ergibt sich aus der Summe des abgezinsten Bodenwerts und den kapitalisierten vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzinsen. Die Errechnung kann in 5 Schritten vorgenommen werden.
Rz. 6
1. Schritt: Bodenwert
Zunächst ist der Wert des unbebauten Grund und Bodens zu ermitteln, so als ob das im Erbbaurechtswege errichtete Bauwerk nicht vorhanden wäre. Der Wert des unbelasteten Grundstücks ergibt sich gem. § 179 BewG aus der Multiplikation der Fläche mit dem zutreffenden Bodenrichtwert. Näheres siehe Erläuterungen zu § 179 BewG (siehe § 179 BewG Rdn 2 ff.).
Rz. 7
2. Schritt: Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts
Zur Abzinsung ist der Bodenwert mit Abzinsungsfaktoren nach Anlage 26 BewG zu multiplizieren. Der Abzinsungsfaktor ist abhängig von der Restlaufzeit des Erbbaurechts und dem anzuwendenden Liegenschaftszinssatz.
Beispiel
Bei einer Restlaufzeit des Erbbaurechts von 20 Jahren und einem Liegenschaftszins von 3 % (Einfamilienhaus) ergibt sich ein Abzinsungsfaktor von 0,5537.
Der so ermittelte abgezinste Bodenwert ist zu dem kapitalisierten vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins zu addieren.
Rz. 8
3. Schritt: Ermittlung des Erbbauzinses
Der Erbbauzins ergibt sich aus dem Erbbaurechtsvertrag, umgerechnet auf 12 Monate. Auf die Zahlungsmodalitäten, Zahlungsrückstände u. dgl. kommt es nicht an. Künftige Anpassungen aufgrund von Wertsicherheitsklauseln sind nicht zu berücksichtigen. Ist kein Erbbauzins zu zahlen, stellt der abgezinste Bodenwert den Bodenwertanteil dar.
Rz. 9
4. Schritt: Kapitalisierung des Erbbauzinses
Der Jahresbetrag des Erbbauzinses ist zu kapitalisieren, d.h. mit einem Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren. Der Kapitalisierungsfaktor ergibt sich aus Anlage 21 BewG. Er ist von der Restlaufzeit des Erbbaurechts und dem anzuwendenden Liegenschaftszinssatz abhängig. Beträgt die Restlaufzeit z.B. eines Einfamilienhauses noch 20 Jahre, ergibt sich bei 3 % Liegenschaftszinssatz ein Vervielfältiger von 14,88.
Rz. 10
5. Ergebnis: Bodenwertanteil
Der abgezinste Bodenwert und der kapitalisierte Erbbauzins ergeben den Bodenwertanteil.
IV. Gebäudewertanteil (Abs. 4)
Rz. 11
Geht das Gebäude später auf den Eigentümer des Erbbaugrundstücks entschädigungslos oder gegen geringe Entschädigung über, wird dem Eigentümer ein bestimmter anteiliger Gebäudewert zugerechnet. Muss der Eigentümer des Erbbaugrundstücks für den Übergang des Gebäudes auf ihn eine Entschädigung zahlen, wird im kein Gebäudewertanteil zugerechnet.
Rz. 12
1. Schritt: Ermittlung des Gebäudewerts
Zur Ermittlung des Gebäudewerts ist das vorhandene Gebäude, bzw. sind die vorhandenen Gebäude, zunächst nach dem in Abhängigkeit von der Grundstücksart in Betracht kommenden Ertragswert- oder Sachwertverfahren zu bewerten. Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen, die an sich vorrangig im Vergleichswertverfahren zu bewerten wären, sind bei der Ermittlung des Gebäudewertanteils in Erbbaurechtsfällen im Sachwertverfahren zu bewerten. Das Vergleichswertverfahren ist hier nicht geeignet, da es auch den Grund- und Boden mitumfasst. Befindet sich das Erbbaurecht im Zustand der Bebauung, stellen die am Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten nach § 196 BewG für die sich im Bau befindlichen Gebäude bzw. Gebäudeteile den Gebäudewertanteil dar. Bei der Ermittlung des Gebäudeertrags- bzw. Gebäudesachwerts gem. § 194 Abs. 4 BewG ist der Mindestansatz gem. § 185 Abs. 3 S. 5 BewG bzw. § 190 Abs. 2 S. 4 BewG zu beachten. Der Gebäudeertragswert ist mit 0 EUR anzusetzen, wenn bei der Ermittlung der Gebäudeertragswert nach Abzug der Bodenwertverzinsung vom Grundstücksreinertrag kein oder ein negativer Betrag verbleibt.
Rz. 13
2. Schritt: Abzinsung des Gebäudewerts
Der ermittelte Gebäudew...