I. Erwerbe von Todes wegen, Abs. 1
1. Erwerb mit dem Tod des Erblassers
Rz. 5
Die Steuer entsteht bei Eintritt der gesetzlichen oder der gewillkürten Erbfolge grds. mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ErbStG). Dabei kommt es in der Regel auf den genauen Todeszeitpunkt an, der sich im Zweifel aus dem Personenstandsregister ergibt (§§ 3, 31 PStG). Das Standesamt, das den Sterbefall beurkundet hat, hat dies u.a. dem für die Veranlagung zur Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 Nr. 9 PStV, zum Inhalt und Umfang der Mitteilung § 60 Abs. 3 PStV). Ob der oder die Erben/Bedachten schon über das geerbte/vermachte Vermögen verfügen können, ist für das Entstehen grds. ohne Bedeutung. Bei Verfügungshindernissen kann – in Ausnahmefällen – eine Steuerminderung nach § 163 AO in Erwägung gezogen werden, dazu Rdn 8. Auch ein nach ausländischem Recht erfolgter vergleichbarer Erwerb von Todes wegen unterliegt der Erbschaftsteuer nach dem ErbStG.
Ist ein Alleinerbe zugleich Vermächtnisnehmer, treten zwei selbstständige Erwerbsvorgänge ein, für die grds. jeweils gesondert Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung des § 14 ErbStG festzusetzen ist, d.h. ein negativer Erwerb als Erbe nicht darf mit dem positiven Erwerb als Vermächtnisberechtigter saldiert werden.
Rz. 6
Hat der Erblasser eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung verfügt, tritt zunächst die gesetzliche Erbfolge ein, weil der Nachlass nach deutschem Recht nicht subjektlos werden kann. Der gesetzliche Erbe ist dann Vorerbe, während bei Eintritt der Bedingung die Nacherbfolge durch den testamentarisch bedachten Erben eintritt.
Ist in einem Erbfall ausländisches Erbrecht anzuwenden, richten sich die erbschaftsteuerlichen Folgerungen danach, welches deutsche Rechtsinstitut dem ausländischen am ehesten entspricht. Nach der US-amerikanischen Erbschaftsteuer wird vielfach nicht der Erwerbsvorgang, sondern der Nachlass besteuert. Steuerschuldner ist der im US-amerikanischen Erbrecht obligatorisch vorgesehene Nachlassverwalter und nicht der Erbe. Nach BFH v. 8.6.1988 ist ohne Rücksicht darauf, ob für die Zeit der Nachlassabwicklung ein "executor" oder "administrator" eingesetzt worden ist, als Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer bei Erwerben von Todes wegen für den gesamten Nachlass der Todestag des Erblassers maßgebend. Davon zu unterscheiden ist die Zwischenschaltung eines amerikanischen Nachlasstrusts. So ist zwar bei einem Nachlasstrust nach anglo-amerikanischem Recht regelmäßig der Erwerb des Testamentserben aufschiebend bedingt bis zur Beendigung der Trustverwaltung/Verteilung, gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 ErbStG unterliegt aber der Vermögensübergang auf den Trust bei seiner Errichtung als zusätzlicher Erwerbstatbestand der Besteuerung. Das Rechtsinstitut des Annahmeerfordernisses nach italienischem Recht (Art. 459 Codice Civile) ist nicht als Erwerb unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG einzuordnen. Wenn auch die übrigen Ausnahmevorschriften des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b–j ErbStG nicht greifen, verbleibt es bei dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, dass die Steuer mit dem Tod des Erblassers entsteht.
Rz. 7
Auf die Kenntnis der Erben von dem Erwerb, der Testamentseröffnung, Annahme der Erbschaft u. dgl. kommt es für die Entstehung der Steuer – von wenigen besonders geregelten Ausnahmen einmal abgesehen – bei den Erwerben von Todes wegen nicht an. Die der Verwirklichung des Steuertatbestandes nachfolgenden und vorhergehenden Ereignisse haben grds. weder Auswirkungen auf den Umfang noch auf den Wert des Erworbenen. Daher sind nicht von Bedeutung die spätere Übertragung der Nachlassgegenstände, etwa aufgrund einer Teilungsanordnung, die Erbauseinandersetzung u. dgl. Auch der Umstand, dass das Verfügungsrecht des Erben beschränkt ist – etwa weil ein Erbe einer Erbengemeinschaft angehört oder sein Erwerb der Testamentsvollstreckung/Nachlassverwaltung unterliegt oder die Abwicklung von Auslandserbanfälle sehr lange dauert – hat keinen verzögernden Entstehungszeitpunkt zur Folge. Ausnahmen ergeben sich ggf. aufgrund des Zivilrechts (siehe Rdn 17 ff.).
Rz. 8
Insbesondere haben Wertänderungen nach Eintritt des Erbfalls keine steuermindernde bzw. steuererhöhende Auswirkung. Allenfalls käme eine Minderung der Steuerbelastung aus Billigkeitsgründen in Betracht. Die Finanzverwaltung lehnt allgemein sachliche Billigkeitsmaßnahmen wegen nachträglicher Wertverluste grds. ab. Dieser Standpunkt schließt aber nicht aus, dass in krassen Einzelfällen eine Billigkeitsmaßnahme nach § 222 oder §§ 163, 227 AO möglich ist. Zivilrechtlich können im Fall von Wertverlusten ggf. auch Schadensersatzansprüche gegenüber anderen am Erbfallbeteiligten entstehen (Näheres siehe § 11 ErbStG Rdn 7).
Rz. 9
Veränderungen im Tatbestand mit Wirkung für die Vergangenheit wirken sich auch auf die Besteuerung aus, z.B. Ausschlagung, Feststellung der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung oder Änderungen in der Erbfolge. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, fällt d...