I. Technik der Zusammenrechnung
Rz. 4
Die Zusammenrechnung gem. § 14 ErbStG bewirkt, dass sowohl der Vor- wie auch der Nacherwerb nach dem Steuersatz (Progressionsstufe) des Gesamterwerbs entsprechend den gesetzlichen und persönlichen Verhältnissen des Letzterwerbs besteuert werden. Mit "Erwerb" ist jeder steuerbare Erwerb i.S.d. § 1 ErbStG gemeint, auch solche, die wegen persönlicher Freibeträge zunächst keine Steuer ausgelöst haben oder die wegen Steuerhinterziehung nicht besteuert worden sind. Mit "persönlichen Verhältnissen" sind gem. R E 14.1 Abs. 3 ErbStR 2019 die Tarifumstände, insbesondere die Steuerklasse, der persönliche Freibetrag und die Steuersätze gemeint und offenbar nicht die in §§ 13a und 13c sowie in § 28a ErbStG enthaltene Wertermittlung. Die infolge der Zusammenrechnung beim Nacherwerb erhobene Steuer setzt sich demnach aus drei Steuerbeträgen zusammen:
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Steuer für den Nacherwerb als Einzelerwerb; |
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rechnerischer Zuschlag auf die Steuer für den Nacherwerb, der erhoben wird, um die Steuer für den Nacherwerb auf das Steuerniveau für eine einmalige Zuwendung in Höhe des Gesamtbetrages von Vor- und Nacherwerb anzuheben; |
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nachträglicher rechnerischer Zuschlag auf die Steuer für den Vorerwerb, um auch die Steuer für den Vorerwerb auf das Steuerniveau für den Gesamtbetrag anzuheben. |
II. Mehrere Erwerbe von derselben Person
Rz. 5
§ 14 ErbStG kann nur bei Erwerben von denselben Personen angewendet werden, d.h. bei jedem Erwerb ist Personenidentität sowohl des Erwerbers wie des Zuwendenden in natura und rechtlich erforderlich. Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge führt zur Änderung der Personenidentität. Deshalb ist der Erwerb von einem Gesamtrechtsnachfolger (Erben) grundsätzlich kein Erwerb vom Rechtsvorgänger (Erblasser). Vom künftigen Erblasser angefallene Vermögensvorteile können bei der Besteuerung der Abfindung, die von künftigen gesetzlichen Erben für den vor dem Ableben des Erblassers vereinbarten Pflichtteilsverzicht gezahlt wird, nicht als Vorerwerb berücksichtigt werden.
Aufgrund der Sonderregelung der Vor- und Nacherbschaft ergeben sich Auswirkungen auf die Zusammenrechnung. Nach § 6 ErbStG gilt der Nacherbe abweichend vom Zivilrecht als Erbe des Vorerben. Überträgt ein Vorerbe mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft Vermögen auf den Nacherben, handelt es sich auch dann um einen gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG mit einem späteren Erwerb des Nacherben vom Vorerben zusammenzurechnenden Erwerb vom Vorerben, wenn der Nacherbe nach §§ 6 Abs. 2 S. 2, 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG beantragt, der Versteuerung der Vermögensübertragung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen. Eine Zusammenrechnung mit Erwerben vom ursprünglichen Erblasser findet nach h.M. nicht statt; der Antrag betrifft nur die Anwendung der Steuerklasse.
Bei Aufhebung einer Stiftung etc. (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) findet fiktiv ein Erwerb vom Stifter oder von der Person, die das Vermögen übertragen hat, statt. Dies kann relevant sein, wenn der Stifter dem Erwerber auch persönlich etwas geschenkt hat. § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG betrifft nur die Steuerklasse.
Gilt bei einem Berliner Testament die Schlusserbschaft als Erwerb vom Erstverstorbenen (§ 15 Abs. 3 ErbStG), ist der Erwerb des Schlusserben nur mit Vorerwerben von diesem zusammenzurechnen. Eine Zusammenrechnung mit Vorerwerben vom Letztverstorbenen kommt zusätzlich dann in Betracht, wenn gleichzeitig Vermögen des Letztverstorbenen erworben wird. Ohne Anwendung des § 15 Abs. 3 ErbStG kann es nur im Verhältnis des Schlusserben zum letztversterbenden Ehegatten zur Zusammenrechnung kommen.
Erhält ein Zwischenerwerber Vermögen mit der Auflage zur aufschiebend bedingten Weitergabe, erwirbt der Letzterwerber vom Schenker und nicht vom Zwischenerwerber. Eine Zusammenrechnung ist daher nur mit Vorerwerben vom ursprünglichen Schenker möglich. Durch Einschaltung eines "Zwischenerwerbers mit Weitergabeverpflichtung" kann die Zusammenrechnung demnach nicht vermieden werden.
Zur Personengleichheit beim Verzicht auf Renten- oder Nutzungsrechte siehe noch H E 14.1 (am Ende) ErbStH 2019.
Rz. 6
Bei Erwerben von oder durch eine Personengesellschaft kommt es bzgl. des Zuwendenden und des Erwerbers auf den einzelnen Gesellschafter und dessen quotale Beteiligung an. Wendet V einer Personengesellschaft etwas zu, an der seine Kinder A und B Gesellschafter sind, liegt je eine Zuwendung von V an A bzw. an B vor. Wendet eine Personengesellschaft zu Lasten des Gesellschafters V seinen Kindern A und B als Gesellschaftern etwas zu, liegen anteilig Zuwendungen des V an A bzw. an B vor. Wird die Personengesellschaft vor einer weiteren Zuwendung in eine GmbH umgewandelt und wendet die GmbH dem A und B erneut etwas zu, liegt m.E. kein Erwerb von derselben Person vor. Wendet eine GmbH den Gesellschaftern A und B un...