Rz. 2

Grundlage der Bewertung ist gem. § 201 Abs. 1 S. 1 BewG prinzipiell der zukünftig nachhaltig erzielbare Ertrag, also eine theoretische Größe. Für dessen Schätzung wird auf Durchschnittswerte aus der Vergangenheit zurückgegriffen. Maßgeblich ist gem. § 201 Abs. 1 S. 2 BewG der in der Vergangenheit tatsächlich erzielte Durchschnittsertrag.

 

Rz. 3

Der maßgebliche Durchschnittsertrag ist nach § 201 Abs. 2 S. 1 BewG möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten. Hat das letzte noch nicht abgelaufene Wirtschaftsjahr erkennbare Bedeutung für den zukünftig nachhaltig erzielbaren Ertrag, ist anstelle des drittletzten abgelaufenen Wirtschaftsjahres dieses (noch nicht abgelaufene) Wirtschaftsjahr einzubeziehen. In diesem Fall erfolgt die Berücksichtigung dieses Wirtschaftsjahres mit dem vollen Betriebsergebnis und nicht nur zeitanteilig.[4] Der Durchschnittsertrag ist das arithmetische Mittel der drei einbezogenen Jahreserträge. Diese werden also addiert und anschließend durch 3 dividiert.[5] Das Ergebnis stellt den Jahresertrag i.S.v. § 201 Abs. 2 S. 4 BewG dar.

 

Rz. 4

In einem sich dynamisch entwickelnden wirtschaftlichen Umfeld führt die bloße Fortschreibung der Ergebnisse der Vergangenheit oftmals zu unzutreffenden Ergebnissen. Dies gilt insb. dann, wenn sich der Charakter eines Unternehmens und damit auch seine Ertragsaussichten in der jüngeren Vergangenheit nachhaltig verändert haben[6] oder das Unternehmen neu entstanden ist. In solchen Fällen ist – soweit nicht nach R B 199.1 Abs. 6 ErbStR 2019 von einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis auszugehen ist – für die Ableitung des Durchschnittsertrages gem. § 201 Abs. 3 S. 1 BewG von einem verkürzten Analysezeitraum auszugehen, dessen Anfangspunkt dem Beginn der nachhaltigen Veränderungen (oder dem Zeitpunkt der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit) entsprechen sollte.[7] Im Hinblick auf die Verkürzung des Analysezeitraums ist die Summe der Betriebsergebnisse in diesen Fällen nicht durch drei zu teilen, sondern durch zwei. Der verkürzte Ermittlungszeitraum soll aber nach Verwaltungsauffassung stets zwei volle Wirtschaftsjahre umfassen. Bei Neugründungen innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag soll das vereinfachte Ertragswertverfahren grundsätzlich nicht angewendet werden.[8]

 

Rz. 5

Soweit der dreijährige Ermittlungszeitraum bei einer Neugründung zu Beginn ein Rumpfwirtschaftsjahr umfasst, ist nach Ansicht der Verwaltung regelmäßig nicht das Betriebsergebnis dieses Rumpfwirtschaftsjahres, sondern das volle Betriebsergebnis des letzten, noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres einzubeziehen.[9] Ein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip soll insoweit nicht vorliegen, weil das (noch nicht abgelaufene) Wirtschaftsjahr einerseits bereits vor dem Bewertungsstichtag begonnen habe und andererseits für die Prognose des zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrages von Bedeutung sei. Ob dieser Ansicht zu folgen ist, erscheint zweifelhaft. Insbesondere in Fällen, in denen der Bewertungsstichtag nur kurz nach dem Beginn des nach Verwaltungsansicht einzubeziehenden (noch nicht abgelaufenen) Wirtschaftsjahres liegt, erscheint die Argumentation der Verwaltung wenig überzeugend. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass das Gesetz selbst in § 201 Abs. 2 S. 2 BewG die Berücksichtigung erst nach dem Bewertungsstichtag eingetretener Bewertungsgrundlagen vorsieht. Im Hinblick darauf, dass es sich beim vereinfachten Ertragswertverfahren um eine gesetzlich geregelte Schätzungsmethode handelt, mit deren Hilfe der am Stichtag vorhandene Wert ermittelt (geschätzt) werden soll, bildet die Einbeziehung nach dem Bewertungsstichtag erwirtschafteter Betriebsergebnisse nicht zwingend einen Verstoß gegen das Stichtagsprinzip. Denn die Besteuerung wird hierdurch nicht auf einen Wert erstreckt, der am Stichtag noch gar nicht vorhanden war. Denn prinzipiell geht es darum, den am Stichtag gegebenen Wert festzustellen bzw. – aufgrund besserer Erkenntnisse – möglichst zutreffend zu schätzen. Die Einbeziehung von Umständen, die erst nach dem Stichtag eintreten, führt aber – gerade bei der Feststellung von Unternehmenswerten, die sich am zukünftig erzielbaren Ertrag orientieren – nicht zu einer gegen das Stichtagsprinzip verstoßenden Ausweitung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Eine "Rückprojizierung nachträglich eingetretener Ereignisse" ist daher nicht zulässig.[10] Die Schätzung des Ertragswerts hat die Ertragsaussichten bzw. die tatsächlichen Verhältnisse am Bewertungsstichtag (§ 12 Abs. 2 ErbStG) zugrunde zu legen, und zwar aus einer Ex-ante-Perspektive, also (allein!) anhand der zu diesem Zeitpunkt möglichen Erkenntnisse.[11]

 

Rz. 6

Hatte das Unternehmen innerhalb des dreijährigen Ermittlungszeitraums (aber nicht zu dessen Beginn) ein Rumpfwirtschaftsjahr, ist nach Auffassung der Verwaltung dessen Betriebsergebnis auf das eines vollen Wirtschaftsjahres umzurechnen und so in die Bestimmung des Durchs...

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