I. Abschmelzung beim "ersten" Erwerb i.S.v. § 13c ErbStG
Rz. 6
Wenn bei einem Erwerb begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) die Wertgrenze des § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG (26 Mio. EUR) überschritten ist, kann auf entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen ein reduzierter Verschonungsabschlag angewendet werden. Dabei reduziert sich der in § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG bzw. § 13a Abs. 10 ErbStG vorgesehene Verschonungsabschlag (85 % bzw. 100 %) um jeweils einen Prozentpunkt für jede vollen 750.000 EUR, um die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. EUR übersteigt. Für die Frage, ob überhaupt begünstigtes Vermögen vorliegt, gelten die entsprechenden Vorgaben in § 13b Abs. 2 ErbStG. Demzufolge sind aus dem begünstigungsfähigen Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 1 ErbStG zunächst die nicht zu begünstigenden Teile (Verwaltungsvermögen, junges Verwaltungsvermögen, junge Finanzmittel) auszuscheiden. Auch die Restriktionen des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (90 %-Grenze) sind zu beachten.
Rz. 7
Maßgeblich für die Beurteilung der Wertgrenze nach § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG sind die dortigen Vorgaben. Dies gilt auch im Hinblick auf eine etwa erforderliche Zusammenrechnung mit früheren Erwerben sowie für eine etwaige Berücksichtigung des Vorweg-Wertabschlags für typische Familienunternehmen (§ 13a Abs. 9 ErbStG).
Rz. 8
Im Übrigen stellt die Verweisung in § 13c Abs. 2 S. 1 ErbStG klar, dass (auch) der abgeschmolzene Verschonungsabschlag nur zugunsten des Letzterwerbers wirken kann. Denn bei Bestehen einer Weitergabeverpflichtung i.S.v. § 13a Abs. 5 ErbStG (den § 13c Abs. 2 S. 1 ErbStG für entsprechend anwendbar erklärt) ist sowohl die Inanspruchnahme der Verschonung nach § 13a ErbStG als auch der abgeschmolzenen Verschonung nach § 13c ErbStG ausgeschlossen. Gleichzeitig erfolgt aber ein Begünstigungstransfer zugunsten des Letzterwerbers (vgl. im Einzelnen § 13a ErbStG Rdn 23 ff.).
Im Ergebnis kommt eine Abschmelzung also nur in den Fällen in Frage, in denen die Anwendung von § 13a Abs. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 10) ErbStG allein an der Überschreitung der Wertgrenze von 26 Mio. EUR scheitert.
Rz. 9
Rechnerisch lässt sich die Abschmelzung an folgendem Rechenschema/Beispiel verdeutlichen:
Beispiel
S hat von seinem Vater durch Schenkung Betriebsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG mit einem gemeinen Wert von 32,3 Mio. EUR erworben. Er möchte gerne den abgeschmolzenen Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen:
Lösung
Rechenschema |
Regelverschonung |
Vollverschonung |
Wert des Erwerbs |
|
32.300.000 |
EUR |
|
32.300.000 |
EUR |
./. 26 Mio. EUR |
./. |
26.000.000 |
EUR |
./. |
26.000.000 |
EUR |
Übersteigender Wert |
6.300.000 |
EUR |
|
6.300.000 |
EUR |
÷ 750.000 |
÷ |
750.000 |
|
÷ |
750.000 |
|
= Faktor |
|
= |
8,4 |
|
= |
8,4 |
Abrundung |
|
|
8 |
|
|
8 |
= Abschmelzung |
|
= |
8 % |
|
= |
8 % |
Regulärer Verschonungsabschlag |
|
|
85 % |
|
|
100 % |
./. Abschmelzung |
|
./. |
8 % |
|
./. |
8 % |
Verbleibender Verschonungsabschlag |
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77 % |
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82 % |
Rz. 10
Im Ergebnis läuft dieses Rechenschema darauf hinaus, dass im Falle der Regelverschonung der Verschonungsabschlag ab einem Erwerb im Wert von 89.750.000 EUR vollständig, also auf 0 % abgeschmolzen ist. Für den Fall der Optionsverschonung regelt § 13c Abs. 1 S. 2 ErbStG ausdrücklich, dass ein Verschonungsabschlag ab einem Erwerb von begünstigtem Vermögen in Höhe von 90 Mio. EUR nicht mehr gewährt wird.
Außerdem führt die auf jeweils "volle" 750.000 EUR abstellende Staffelung dazu, dass es zu einer effektiven Abschmelzung nicht bereits bei Überschreitung der in § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG geregelten Grenze von 26 Mio. EUR kommt, sondern erst bei Überschreitung eines Werts von 26.750.000 EUR.
Im Übrigen hat die Staffelung auch zur Folge, dass jeweils bei Überschreiten einer 750.000 EUR-Stufe eine sprunghafte (wenn auch auf den ersten Blick moderate) steuerliche Mehrbelastung eintritt. Eine Glättung der sich hieraus ergebenden Effekte ist nicht vorgesehen.
Schließlich führt die Systematik des Gesetzes dazu, dass der "rechnerische Grenznutzen" der abgeschmolzenen Verschonung im Falle der Regelverschonung bei einem Erwerb begünstigten Vermögens im Wert von 45 Mio. EUR und im Falle der Optionsverschonung bei einem Wert begünstigten Vermögens in Höhe von 51 Mio. EUR sozusagen gedeckelt ist. Bei Überschreitung der genannten Wertgrenzen erweist sich der Erwerb weiteren begünstigten Vermögens als steuerlich ungünstiger als der Erwerb nicht begünstigten (also Privat- oder Verwaltungs-)Vermögens.