Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Rz. 2
Grundsätzlich ist zur Ermittlung des Rohertrags von den tatsächlichen Nutzungsentgelten nach den vertraglichen Konditionen auszugehen. Ist dies im Einzelfall nicht möglich oder nicht zulässig, ist stattdessen die übliche Miete heranzuziehen. So ist z.B. bei Eigennutzung, Leerstand u. dgl. eine tatsächliche Miete nicht vorhanden. Nicht zulässig ist ein Ansatz der tatsächlichen Miete auch, wenn der Eigentümer dem Mieter das Objekt zu einer mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlässt. Gedacht ist hier insb. an Fälle der Vermietung unter Angehörigen, Bekannten etc. ("Freundschaftsmieten"). In Betracht kommen aber auch andere Fälle, z.B. Mietreduzierung zur Rettung/Sanierung des Mieters. Gewöhnlich haben derart verbilligte oder unangemessen niedrige Mieten keinen Einfluss auf die Verkehrswertbewertung, deswegen sind sie nach § 186 BewG zu Recht nicht für die Bewertung heranzuziehen.
Rz. 3
Schwierig dürfte insb. der Vergleich der tatsächlichen Miete mit der um 20 % geminderten üblichen Miete sein. Bekanntlich haben auch tatsächliche Mieten eine Spanne, bei langjähriger Fremdvermietung kann es auch schon durch die wirtschaftliche Entwicklung dazu gekommen sein, dass die tatsächliche Miete unter der erzielbaren üblichen Miete liegt. Daraus wird deutlich, dass hier ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht. Der BFH hat in seinem Urteil vom 5.12.2019 entschieden, welches die Prüfkriterien bezüglich der 20 %-Grenze i.S.d.§ 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG (Überprüfung der Ortsüblichkeit von tatsächlich erzielten Mieten) bei Zugrundelegung eines Mietspiegels für den Ansatz einer üblichen Miete jenseits der vertraglichen Mieten sind. Nicht der Mittelwert eines Mietintervalls ist hierfür maßgebend, sondern vielmehr die untersten respektive obersten Intervallgrenzen. Eine vertraglich vereinbarte Miete kann demnach nicht mehr als üblich angesehen werden, wenn sie mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der oberste Wert der Spanne (vgl. auch H B 186.5 ErbStH 2019).
Haben z.B. Eltern ein Apartment an ein Kind an einem Studienort vermietet und beträgt die übliche Miete 9 EUR pro m2 Wohnfläche/Monat, die tatsächliche Miete aber 4 EUR, ist der Fall klar. Ist das Apartment an eine langjährige Mieterin vermietet, die seit vielen Jahren 6,80 EUR zahlt, und hat der Vermieter die Miete nie an die übliche Miete von 9 EUR angepasst, wäre für die Bewertung eine Miete von 9 EUR heranzuziehen, wenn dies der unterste Wert der Spanne wäre. Zu bedenken bei derartigen Angaben in Feststellungserklärungen ist auch, dass das Finanzamt anhand der Steuerakte (Vermietung und Verpachtung) durchaus Möglichkeiten hat, die tatsächlich vereinbarte Miete zu ermitteln.
Rz. 4
§ 186 Abs. 2 S. 2 BewG enthält die Regelung, wie die übliche Miete zu ermitteln ist. Nähere Einzelheiten sind in R B 186.5 ErbStR 2019 geregelt, auf den hier verwiesen wird. Entsprechend der Systematik ist die übliche Miete nur netto anzusetzen. Wurden die Mieten aus Sammlungen abgeleitet, bei denen die üblichen Betriebskosten in die Miete eingerechnet sind, müssen die üblichen Mieten natürlich noch ggf. durch einen pauschalen Abschlag gemindert werden.