Rz. 195

Wenn einer Kapitalgesellschaft im Wege der verdeckten Einlage ein Vermögenswert zugeführt wird, der den Wert sämtlicher Anteilsrechte erhöht (disquotale Einlage), beinhaltet diese Werterhöhung der Beteiligungsrechte bei den anderen Gesellschaftern eine steuerbare Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG.

 

Beispiel[368]

V und S sind zu jeweils 50 % an der A-GmbH beteiligt (Stammkapital 25.000 EUR). Nach zwei Jahren legt V im Jahr 2012 verdeckt 1 Mio. EUR in die GmbH ein, d.h. ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten. Infolge der Einlage (Leistung) des V wird der Anteil des S an der Gesellschaft um 500.000 EUR (½ von 1 Mio. EUR) erhöht. Dies stellt eine freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG von V an S dar.

 

Rz. 196

Die Rechtsprechung des BFH,[369] wonach die disquotale Einlage mangels Substanzverschiebung nicht ohne weiteres für eine Schenkung genügt, ist damit durch den Gesetzgeber mit Einfügung des § 7 Abs. 8 ErbStG mit Wirkung ab dem 14.12.2011 obsolet geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH grds. angeschlossen.[370] Dies sollte nach Meinung der Finanzverwaltung aber nicht für folgende Ausnahmefälle gelten:

zeitnahe Ausschüttung: Erfolgt in zeitlichem Zusammenhang mit der disquotalen Einlage eine offene oder verdeckte Ausschüttung des Vermögens, kann nach Ansicht der Finanzverwaltung der an die anderen Gesellschafter ausgeschüttete Betrag unter Heranziehung der Gesamtplanrechtsprechung Gegenstand der Zuwendung an den anderen Gesellschafter sein.[371] Die Finanzverwaltung bestimmt den Zeitraum für den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang nicht näher. Zu empfehlen ist ein Zeitraum von mindestens einem Jahr zwischen den einzelnen Akten.[372] Ausschüttungen der laufenden Gewinne der Gesellschaft sind dagegen unschädlich.[373]
Neugründung: Erfolgt die disquotale Einlage durch einen Gesellschafter im Zuge einer Neugründung der Gesellschaft, soll auch insoweit eine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter vorliegen.[374]
Übernahme der Einlageverpflichtung: Übernimmt ein Gesellschafter freigebig die Einlageverpflichtung eines Mitgesellschafters, beinhaltet dies eine Schenkung an den Mitgesellschafter.[375]

Wird nachträglich die aufgrund der verdeckten Einlage gebildete Kapitalrücklage im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln infolge einer Aufstockung der Altanteile oder der Ausgabe neuer Geschäftsanteile aufgelöst, ist dieser Vorgang schenkungsteuerlich ohne Bedeutung.

[368] Zu einem weiteren Beispiel auch H E 7.5 ErbStR 2019.
[370] Koordinierter Ländererlass v. 20.10.2010 – 3 S 3806/75, BStBl I 2010, 1207 ersetzt durch Koordinierten Ländererlass v. 14.3.2012, BStBl I 2012, 331.
[371] Koordinierter Ländererlass v. 20.10.2010 – 3 S 3806/75, BStBl I 2010, 1207 und v. 14.3.2012, BStBl I 2012, 331;R E 7.5 (2) S. 3 ErbStR 2019; H 18 Nr. 1 ErbStH a.F.; kritisch zu dieser Ausnahme Felten, BB 2011, 1621, 1622.
[372] Neufang/Merz, BB 2011, 2397, 2400: mehr als ein Jahr; Wälzholz, GmbH-StB 2011, 340, 341.
[373] Wälzholz, GmbH-StB 2011, 340, 341.
[374] R E 7.5 (2) S. 4 ErbStR 2019.
[375] R E 7.5 (2) S. 11 ErbStR 2019.

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