Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Rz. 4
Der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, als er sich aus den typisierenden Bewertungsvorschriften des BewG durch die in § 182 Abs. 1 BewG fixierten Verfahren ergäbe. Nach § 198 Abs. 2 BewG in der ab 23.7.2021 gültigen Fassung, ergangen aufgrund des Gesetzes zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz) vom 16.7.2021, muss der Gutachter von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständiger oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sein. Die nach der hier genannten DIN akkreditierten Stellen sind im Internet auf der Seite der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) manifestiert. Der Gesetzgeber folgt mit der Erweiterung der Norm dem Wunsch nach konkreten Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Gutachters beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG. Deutlich restriktiver hatte die Rechtsprechung des BFH mit Urteil vom 5.12.2019 erneut entschieden (und zwar gegen die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.2.2014), dass für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Gutachten nach § 198 BewG nur die Gutachterausschüsse sowie die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in Betracht kommen. Die Verwaltung hat darauf mit einem Nichtanwendungserlass reagiert. Mit der Änderung des § 198 BewG wird insbesondere geregelt, dass auch zertifizierte Sachverständige für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch Gutachten in Betracht kommen. Es ist ausreichend für diese Personen, wenn sie über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken verfügen (vgl. auch R B 198 Abs. 3 S. 1 ErbStR 2019). Diese Voraussetzung wird durch die Bestellung oder Zertifizierung von einer staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 (siehe oben) akkreditierten Stelle sichergestellt.
Rz. 5
Das Gutachten ist für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht bindend (vgl. R B 198 Abs. 3 S. 2 ErbStR 2019), sondern unterliegt der Beweiswürdigung durch das Finanzamt. Enthält das Gutachten Mängel (z.B. methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze), ist es zurückzuweisen; ein Gegengutachten durch das Finanzamt ist nicht erforderlich. Bei dem Gutachten müssen für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften beachtet werden. Werden Vorschriften der Wertermittlungsverordnung bzw. Immobilienwertermittlungsverordnung nicht beachtet, ist der Nachweis nicht erbracht. Das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg hat "Hinweise zur Anforderung an Verkehrswertgutachten bei der Bewertung des Grundbesitzes" herausgebracht. Entspricht das Gutachten nicht in jeder Hinsicht den zu stellenden Anforderungen, berechtigt dies nicht ohne weiteres dazu, das Gutachten insgesamt unberücksichtigt zu lassen. Ist etwa ein vorgenommener Abschlag nicht hinreichend begründet, ist lediglich dieser Abschlag zu streichen. Einem abweichenden Wertansatz in einem Sachverständigengutachten kann gefolgt werden, wenn der Gutachter diesen begründet. Etwaige Lücken in einem Gutachten können vom Finanzamt und vom Finanzgericht selbst geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist. Ein Gutachten ist nicht bereits dann in Gänze zu verwerfen, wenn es eine korrigierbare Lücke oder einen korrigierbaren Mangel enthält. Setzt das Verkehrswertgutachten die Wertminderung wegen Bauschäden mit den Kosten der Schadensbeseitigung gleich, ist es nicht anzuerkennen. In seinem Urteil vom 24.10.2017 hat der BFH zudem einige signifikanten Anforderungen für ein Gutachten manifestiert. Dazu gehört die methodische Qualität sowie eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen nach Faktenlage (Anwendung der maßgeblichen Normen des BauGB sowie die zu den jeweiligen Stichtagen gültigen Verordnungen). Nicht darunter zu fassen und somit unzureichend sind allgemeine Passagen im Gutachten wie z.B. der Verweis auf eine sachverständige Feststellung respektive jahrelange Erfahrung des Gutachters oder einer überschlägigen, exemplarischen Schätzung aus einer langjähriger Tätigkeit als Architekt. Darüber hinaus gesteht der BFH zu, Instandsetzungskosten durch Abschläge zu berücksichtigen, wenn im Ertragswertverfahren dem schlechten Zustand eines Gebäudes bei Erträgen, Bewirtschaftungskosten und Restnutzungsdauer nicht Rechnung getragen wurde (Instandhaltungsrückstau). Allerdings verlangt der BFH, dass sich aus dem Gutachten ergeben muss, wie sich die Mängel und Schäden auf den Verkehrswert auswirken. Zudem leitet der BFH eine Tendenz bezüglich der Qualität eines Gutachtens ab. Danach ist der Nachweiswert des Gutachtens umso geringer, je weniger u...